Corona-Quarantäne für Hauptstädter*innen: Landesregierung sperrt Habeck aus
Schleswig-Holstein schickt Gäste aus Berlin und Berlin-Pendler*innen in Quarantäne. Grünen-Chef Robert Habeck bleibt deshalb seiner Heimat fern.
Nicht ganz so weit geht Hamburg: Hier gibt es nur die Regelung, dass Touristen bei ihrer Ankunft in Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen oder auf Campingplätzen schriftlich bestätigen müssen, dass sie sich in den vergangenen 14 Tagen nicht in einem der Hotspot-Bezirke aufgehalten haben.
In Mecklenburg-Vorpommern gelten solche Einschränkungen nicht. Das Bundesland splittet Berlin nicht nach Bezirken auf. Und berlinweit liegt die Fallzahl bei gut 40 Infektionen je 100.000 Einwohner*innen pro Woche. Und auch Niedersachsen lässt wie Bremen – das selber kurz vor der 50er-Schwelle steht – alle Berliner*innen ins Land. Denn Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) hält die schleswig-holsteinische Quarantäne-Pflicht schlicht für „überzogen“ und auch Übernachtungsverbote wie in Hamburg für „nicht kontrollier- und umsetzbar“. Als „weder verhältnismäßig noch realistisch“ kritisiert auch der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit jede Reisebeschränkung innerhalb Deutschlands.
Besonders die strengen schleswig-holsteinischen Quarantäne-Regelungen, die auch für die Einwohner*innen anderer Corona-Hotspots wie Hamm und Remscheid gelten, lösen überparteiliche Kritik aus. „Ein Flickenteppich in Deutschland trägt nur zur Verwirrung bei und wird auch das Infektionsgeschehen kaum eindämmen“, klagte der Hamburger CDU-Landesvorsitzende Christoph Ploß im Gespräch mit dem Spiegel. Und auch Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschef Ralf Stegner „hält gar nichts“ von den „Alleingängen“ und der „Kleinstaaterei“ des Kieler Corona-Managements.
Fauxpas der Kieler Behörden
Dass dieses aus der Zeit des Zollvereins stammt, legt auch ein Fauxpas der Kieler Behörden nahe, die mit „Tempelhof“ und „Friedrichshain“ zwei Bezirke auf die Hotspot-Liste setzten, die es so seit fast 20 Jahren nicht mehr gibt. Nach zwei Bezirksfusionen gingen sie 2001 in den Neubezirken Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg auf.
Doch der Fehler bei der Bezirksbenennung ist nicht das größte Problem des Kieler Gesundheitsminsteriums. Es muss sich nicht nur von den niedersächsischen Nachbarn vorwerfen lassen, dass die Quarantäne-Verordnung nicht kontrollierbar ist, sondern darüber hinaus noch zahlreiche Ausnahmen kommunizieren, die für noch mehr Unklarheit und Kontrollbedarf sorgen. So gilt die Einreisereglung nicht für Lastwagen-und Zugmaschinen-Fahrer*innen, um, so Ministeriumssprecher Witte, „den Wirtschaftsverkehr nicht abzuwürgen“.
Extrawurst für viele Politiker*innen
Und auch viele Politiker*innen bekommen eine Extrawurst. Ausnahmen von den Quarantäne-Regeln gibt es etwa für Abgeordnete aus Brüssel, Berlin und Kiel sowie für Vertreter*innen der Landesregierung und deren Landesvertretung in Berlin. Die 26 Abgeordneten etwa, die das nördlichste Bundesland in den Bundestag schickt und die in der Regel jede Woche zwischen Wahlkreis und Berlin pendeln, dürfen das weiter tun.
Zur „Aufrechterhaltung der Staatsfunktion“ sind, so Witte, „alle Mitglieder der Bundesregierung und alle Abgeordneten des Bundestages“ von Quarantäne und Testpflicht befreit. Für Kubicki und Co gibt es also keine Grenze.
Robert Habeck ist verzichtbar
Das allerdings gilt nicht für Robert Habeck, der mit seiner Frau in der Nähe von Flensburg lebt und in der Bundesparteizentrale der Grünen im Corona-Hotspot-Bezirk Berlin-Mitte arbeitet. Da Habeck „nur“ Parteichef der Grünen ist, nicht aber im Parlament oder in der Regierung sitzt, ist er bei der „Aufrechterhaltung der Staatsfunktion“ verzichtbar. Die Folge: Der Grünen-Politiker hat sich erst mal jeden Heimaturlaub gestrichen, um nicht in Quarantäne zu müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies