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Corona-Infektion von Donald TrumpWenn sich Lügen rächen

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Rund um Donald Trumps Covid-19-Erkrankung praktiziert das Weiße Haus eine geradezu sowjetische Informationspolitik: Nichts Genaues weiß man nicht.

Im Krankenhaus-Office: Donald Trump meldet sich in einer Videobotschaft zu Wort Foto: reuters

M it 68 Jahren stellen Ärzte eine beginnende Hirngefäßverkalkung fest. Der Mann erleidet mehrere Schlaganfälle und Herzinfarkte. Seine intellektuellen Fähigkeit nehmen ab. Aber davon weiß außerhalb des engsten Politzirkels niemand, gegenüber der Öffentlichkeit wird der Anführer der Supermacht als kerngesund präsentiert. Nicht von Donald Trump ist hier die Rede, sondern vom Leonid Breschnew, dem Generalsekretär der KPdSU, verstorben im November 1982. Für diejenigen, die damals im Westen die Personalia an der Spitze der Sowjetunion beobachteten, hatte sich ein Begriff eingebürgert: Kreml-Astrologen.

38 Jahre später scheint sich Geschichte zu wiederholen. Donald Trump ist an Covid-19 erkrankt. Die Informationen über seinen Gesundheitszustand sind, milde ausgedrückt, widersprüchlich. Der Patient tritt zwar, anders als Breschnew, auf Video auf und seine Ärzte präsentieren Gesundheitsbulletins, aber nichts Genaues weiß man nicht. White-House-Astrologen zitieren anonyme Quellen, nach denen Trump wahlweise putzmunter oder schon fast gestorben ist. Wer wem glaubt, entscheidet sich entlang politischer Präferenzen.

Die erste politische Folge von Trumps Infektion ist diese: Das Weiße Haus wird jetzt von der eigenen Kommunikationsstrategie eingeholt. Wer „Fake News“ ruft, wenn es unbequeme Wahrheiten geht, und mit „alternativen Fakten“ hantiert, um die Realität zurechtzubiegen, dem glaubt man nicht – und das selbst dann, wenn die Beteiligen ausnahmsweise die Wahrheit aussprechen sollten. So wird aus der Erkrankung des Präsidenten kurz vor der Wahl, eigentlich schon aufregend genug, ein veritables Drama, das die letzten Sicherheiten in diesen unsicheren Zeiten hinwegzuspülen droht. Ist Trump überhaupt krank oder handelt es sich um eine Finte? Hat Biden ihn angesteckt? Hat ihn eine geheime Elite anstecken lassen? Solche Fragen stellen sich ernsthaft nicht wenige wahlberechtigte US-amerikanische Staatsbürger.

Die zweite Folge von Trumps Infektion: In den vier Wochen bis zur Präsidentenwahl wird der Kampf zwischen ihm und Joe Biden nahezu ausschließlich um das Thema Corona kreisen. Es ist nur ein paar Tage her, da bemühte sich Trump darum, seinen Konkurrenten ob dessen Tragens einer Mund-Nase-Maske lächerlich zu machen. Noch vor wenigen Wochen erklärte der Präsident die Pandemie zu einer Art harmloser Grippe. Diese Art von Verharmlosung hat sich erledigt – und damit ein Teil der Strategie der Republikaner, seine Wiederwahl zu sichern.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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9 Kommentare

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  • Der Kreml-Vergleich überdramtisiert den Vorgang etwas. Auch "antitotalitäre" Ikonen wie Kennedy und die beiden Roosevelts haben ihre Gebrechen stets mit viel Aufwand unter dem Teppich gehalten. Es ist also eigentlich ein alter Hut, dass Mächtige sich ungern öffentlich schwerkrank zeigen.

    Das hat auch nichts mit der politischen Ausrichtung oder der Repressivität des jeweiligen Systems zu tun. Vielmehr ist die Frage, wie ersetzbar der jeweils betroffene Amtsinhaber ist: Je mehr Macht eine bestimmte Person kraft Position hat, desto größer ist das Vakuum, das sich ergibt, wenn diese Person sichtbar schwächelt.

    Ein solches Vakuum wirkt IMMER destabilisierend. Es lädt zu Manövern zur Ersetzung des Machthabers ein und verunsichert Jene, über die er Macht ausübt - selbst die unter ihnen, die ihn für einen übergeschnappten Egomanen ohne staatsmännische Qualitäten halten.

    Von daher: Mal halblang. Viel beklagenswerter ist, dass sich Trump schon aus den vorgenannten Gründen jetzt in Bezug auf die Gefahr, die von COVID 19 ausgeht, nicht geläutert geben "darf", selbst wenn ihm seine Erkrankung einen heilsamen Schrecken eingejagt hat.

  • Wenn der Trump am Dienstag wieder "arbeitet" dann war das, wie bei Bolsonaro (der angeblich mit oder durch ein Medikament gesund geworden ist das bei Corona nachweislich nicht wirkt) dann war das Ganze auch nur ein Fake, sehr aufwendig inszeniert, aber ein Fake.

  • In US-Amerikanischen Foren fragen die Leute nach der unterschiedlichen Behandlung von "Normal Sterblichen" die im Krankenhaus keinerlei Besuch empfangen dürfen und ganz alleine sterben, und dem Potus, der obwohl zweifellos hoch-infektiös, sich offenbar im Krankenhaus bewegen kann, in einem Raum mit Fotografen aufhalten, und mal eben zur Bespaßung seiner gläubigen Anhängerschaft eine kleine Runde mit seinem Auto vor der Klinik herumkurven kann... also als Virenträger in einem Auto mit mindestens zwei weiteren Personen.

  • White-House-Astrologen???

    Und diese Wahnsinnigen haben 5000 Mehrfachsprengköpfe für Interkontinentalraketen!

  • 1G
    15451 (Profil gelöscht)

    Da scheint Corona jetzt ja durchaus positiv zu sein! Der Präsident arbeitet laut (sicherlich gestelltem) Bild und kann sich nicht dem Golfspielen oder seinen Lügenparaden widmen... Ich fürchte nur, er arbeitet ohnehin nicht das Richtige!

  • Wenn er es tatsächlich gut überleben und schnell genesen wird, spräche das allerdings eher für ihn und nicht gegen ihn bzgl. seiner (persönlichen) Corona-Strategie.

    Wenn er tatsächlich in wenigen Tagen wieder im Weißen Haus sitzt und "ganz der alte" scheint/ist, dann wird er das auskosten: "Seht her, selbst ich alter Mann habe es problemlos überstanden" und "Ich bin weiter für Euch da, so schnell haut mich nichts um."

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - merkt an -

    “Lü Lü Lü -

    taz.de/Coronainfek...ld-Trump/!5715799/







    ".. praktiziert das Weiße Haus eine geradezu sowjetische Informationspolitik .." Lülülü.. Von Putin lernen heißt Sügen lernen.“

  • Wer Trump wählt, ist informationsresitent.



    Da hilft auch keine Kolummne.

    • @Tripler Tobias:

      Ich gebe Dir Recht, die meisten Wähler von Trump und anderen demokratiefeindlichen Parteien, sind faktenresistent. Aber: man muss die Diskussion aber in der Öffentlichkeit führen, damit die Menschen, die Trump wählen wollen, aber noch unsicher sind, davon abgehalten werden.



      Oder hast Du dafür einen anderen Vorschlag?