Corona-Impfstart in der EU: Eile ja – aber auch Transparenz?
Die EU-Kommission will die Verträge mit den Pharmafirmen immer noch nicht offenlegen. Das gefährdet das Vertrauen, kritisieren die Grünen.
Doch während von der Leyen die gute Nachricht verkündete, wuchs bei vielen EU-Abgeordneten die Wut. Denn die EU-Behörde weigert sich weiterhin, die geheimnisumwitterten Verträge mit den Impfstoff-Herstellern offenzulegen und endlich für Transparenz zu sorgen. Dies geht aus einem Brief der Kommissionschefin hervor, der der taz vorliegt.
Eine Veröffentlichung der Verträge mit Biontech/Pfizer und anderen Pharmafirmen „wäre schädlich für die gesamte Beschaffungsprozedur“, heißt es darin. Es würde die kostengünstige Versorgung mit dem begehrten Impfstoff „einem ernsten Risiko“ aussetzen. Zudem könne es die „Wettbewerbssituation“ der beteiligten Unternehmen schwächen.
Deshalb soll der Preis einer Impfdose ebenso unter dem Deckel bleiben wie die Haftungsregeln. Die Haftung sei streng nach EU-Recht geregelt, schreibt von der Leyen. „Wir werden nie Kompromisse bei den gültigen Regeln machen, die bei der Markteinführung eines Medizinproduktes zur Anwendung kommen“, heißt es wörtlich.
Massiver Druck aus EU-Staaten
Das passt allerdings schlecht zu dem massiven Druck, den Deutschland und andere EU-Staaten ausgeübt haben, damit die Zulassung des Biontech-Impfstoffes um eine Woche vorgezogen wird. Ursprünglich sollte die Entscheidung in der Europäischen Arzneimittelbehörde erst nach Weihnachten fallen; nun wurde sie auf den 21. Dezember vorgezogen.
Die Geheimniskrämerei könnte nun auch das Vertrauen der Bürger in den neuen Impfstoff untergraben, fürchtet der grüne Europaabgeordneten Rasmus Andresen, der von der Leyen gemeinsam mit anderen Parlamentariern aus mehreren Fraktionen um Offenlegung gebeten hatte. „Gerade um Vertrauen in den Impfstoff herzustellen, brauchen wir volle Transparenz“, sagte Andresen der taz.
„Es ist Recht und vor allem unsere Pflicht, vor der Freigabe von Milliardenzahlungen alle Informationen überprüfen zu können“, so Andresen weiter. „Ich bin entsetzt, dass Ursula von der Leyen dieses Recht einfach so vom Tisch fegt.“
Die Impfdosen könnten nach Aussagen des Europäischen Pharmaverbands (EFPIA) pro Einheit zwischen 5 und 15 Euro kosten. Die EU hat von dem Mainzer Unternehmer Biontech und seinem amerikanischen Partner Pfizer rund 300 Millionen Impfdosen erworben. Nach Angaben des „Handelsblatts“ bürgt für die EU finanzielle Risiken – doch offenlegen will sie das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland