Corona-Impfdebatte bei Bayern München: Ein Spritzenspiel
Das 4:0 des FC Bayern gegen Hoffenheim gerät wegen der Debatte über Joshua Kimmichs Impfskepsis zur Nebensache.
Schon vor dem Spiel des FC Bayern war es kaum um den sportlichen Teil der Veranstaltung gegangen, und auch hinterher bot der Fußball nur die Bühne für eine gesellschaftliche Debatte. Gesorgt hatte dafür die Nachricht, dass Joshua Kimmich sich bisher nicht gegen das Coronavirus hat impfen lassen. Das Erstaunen darüber war auch deshalb groß, weil Kimmich mit seinem Vereins- und Nationalmannschaftskollegen Leon Goretzka 2020 die Spendeninitiative WeKickCorona ins Leben gerufen und dabei auf die Verantwortung jedes Einzelnen in der Pandemie hingewiesen hatte.
Als Kimmich nach dem nächsten Sieg des FC Bayern nun zu seinem angekündigten Mediengespräch lief, erzeugte allein das mehr Aufregung als das 4:0 (2:0) gegen die TSG Hoffenheim durch die Tore von Serge Gnabry (16.), Robert Lewandowski (30.), Eric Maxim Choupo-Moting (82.) und Kingsley Coman (87.). Heraus kam nun ein Gespräch, in dem der 26-Jährige zunächst bestätigte, nicht geimpft zu sein, ehe er versuchte, sich und den aus seiner Sicht gar nicht vorhandenen Widerspruch zu seiner Spendeninitiative zu erklären.
Er habe bisher auf eine Impfung verzichtet, „weil ich für mich persönlich noch ein paar Bedenken habe, gerade, was fehlende Langzeitstudien angeht“, sagte Kimmich. Er sei sich seiner Verantwortung aber bewusst, halte sich an die Hygienemaßnahmen und werde alle zwei, drei Tage getestet. Seine im Rahmen seiner Spendeninitiative eingeforderte Solidarität lebe er auch ohne Impfung, befand Kimmich, „bei WeKickCorona ging’s ja darum, karitative Einrichtungen und gemeinnützige Zwecke zu unterstützen“, also „Personen, die durch Corona in Not geraten sind“. Kimmich sagte weiter: „Wir haben ja auch an Unicef Geld gespendet, die dann Impfstoff zur Verfügung stellen.“ Und es sei keineswegs so, „dass ich ein Coronaleugner oder Impfgegner bin“, betonte Kimmich, ehe er anhob zu einer Kritik an der Schärfe, mit der die Diskussion ums Impfen geführt wird.
„Das finde ich ein bisschen schade, wenn es um die Debatte geht: Es gibt nur noch geimpft oder nicht geimpft. Und nicht geimpft bedeutet dann oftmals gleich, dass man Coronaleugner oder Impfgegner ist. Aber ich glaube, es gibt auch ein paar andere Menschen zu Hause, die einfach ein paar Bedenken haben, was auch immer die für Gründe haben. Und ich finde, auch das sollte man respektieren. Vor allem, solange man sich an die Maßnahmen hält.“ Er habe sich auch nicht kategorisch gegen eine Impfung entschieden, es sei „sehr gut möglich, dass ich mich in Zukunft impfen lasse“, fügte er hinzu.
„Ich bin Impffreund“
Es waren Sätze, die Kimmichs persönliches Unentschieden beim Impfthema aufzeigten. Zumal seine Äußerungen viel Widerspruch erzeugten. Es sei „die wissenschaftliche Meinung und auch meine Meinung, dass das Impfen besser wäre“, sagte Kimmichs Mitspieler Thomas Müller, „es ist ein schmaler Grat, es ist auch eine ethische, eine moralische Diskussion. Ich bin Impffreund.“
Schon vor dem Spiel hatten Trainer Julian Nagelsmann und Sportvorstand Hasan Salihamidžić darauf verwiesen, dass sie den Spielern eine Impfung nahelegen, diese aber nicht dazu zwingen können. „Der FC Bayern empfiehlt, sich impfen zu lassen, genauso wie ich persönlich, um unter anderem vielleicht allen ein normaleres Leben zu ermöglichen“, sagte Salihamidžić.
Der vollständig geimpfte Nagelsmann hatte seine Empfehlung am Freitag betont, obwohl er sich wegen eines Impfdurchbruchs mit dem Coronavirus infiziert hat und sich derzeit zu Hause in Quarantäne befindet. Aber er verwies dabei aus jener Küche, aus der er seine Mannschaft am Samstag coachte, auf seinen milden Verlauf und die Gefahr, ungeimpft schwer zu erkranken. Und der sportliche Teil der Veranstaltung, das zweite 4:0 von Nagelsmanns Assistenten Dino Toppmöller nach jenem in der Champions League bei Benfica Lissabon am vergangenen Mittwoch? „4:0 ist ein gutes Standardergebnis. Wenn er das halten kann, wird’s irgendwann schwierig, wen man als Cheftrainer installiert“, scherzte Müller.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart