Corona-Fall in Obdachlosen-Unterkunft: Isoliert mit Hunderten
In Hamburgs größter Obdachlosen-Notunterkunft gab es einen Corona-Fall. Nun dürfen rund 300 Obdachlose die Unterkunft nicht mehr verlassen.
![Ein Mann verlädt mit einer Atemschutzmaske Schmutzwäsche aus einer Einrichtung für Obdachlose. Ein Mann verlädt mit einer Atemschutzmaske Schmutzwäsche aus einer Einrichtung für Obdachlose.](https://taz.de/picture/4035741/14/131032805-1.jpeg)
In der Winternotunterkunft in der Friesenstraße hat es am Wochenende den ersten positiven Test auf das Coronavirus gegeben. Das teilte die Sozialbehörde mit. Es ist Hamburgs größte Unterkunft für Obdachlose in den Wintermonaten. Weil möglicherweise der Erreger in der Einrichtung verbreitet wurde, hat das Gesundheitsamt alle dort untergebrachten Personen in häusliche Isolation gesetzt. 14 Tage müssen die rund 300 Obdachlosen, die sich am Wochenende in der Friesenstraße aufhielten, dort bleiben.
So soll eine Übertragung auf Personen außerhalb der Unterkunft ausgeschlossen werden. Innerhalb der Unterkunft kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Übertragungen gab. Wer keine Symptome zeigt, wird wie üblich in den Mehrbettzimmern der Unterkunft untergebracht. „Personen mit Symptomen werden dem üblichen Verfahren gemäß getestet“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. Bisher gab es noch keinen weiteren Verdacht. Sollte es weitere Fälle geben, sollen Erkrankte innerhalb der Einrichtung isoliert werden. „Zwei Etagen des Gebäudes sind dafür eingerichtet, um die Betreffenden von Nichterkrankten zu isolieren“, sagt Helfrich.
Während die Unterkunft in der Friesenstraße nun dicht ist, ist der zweite Standort des Winternotprogramms in der Kollaustraße bisher im Normalbetrieb. „Auch dort haben wir schon entsprechende Maßnahmen zur Isolierung eingeleitet, sollte es zu einem Erkrankungsfall kommen“, sagt Helfrich.
Holger Mütze, Jesus Center
Vor Herausforderungen stehen Menschen ohne Obdach nicht nur hinsichtlich der Schlafplätze. Auch erste Anlaufstellen für den Tag sind bereits geschlossen worden. So etwa die Tagesaufenthaltsstätte der Diakonie oder das Jesus Center auf dem Schulterblatt. „Bei uns ist es technisch und räumlich nicht möglich, Distanz zu halten“, sagt Holger Mütze vom Jesus Center. Bis Mitte April bleibt die Anlaufstelle für wohnungslose Menschen in der Sternschanze geschlossen. „Wir versuchen aber gerade, Ausgabestellen im Viertel für Mittagessen zu organisieren“, sagt Mütze.
Während andere Anlaufstellen für Obdachlose schließen, will das „CaFée mit Herz“ in St. Pauli sein Angebot für Bedürftige und Obdachlose so lange wie möglich aufrechterhalten. „Wer kümmert sich denn sonst um die Menschen?“, fragt Jan Marquardt, Geschäftsführer des Betreibervereins. Bei der Essens- und Kleiderausgabe sowie bei den Waschmöglichkeiten soll der notwendige Kontakt mit Augenmaß und Kreativität runtergefahren werden. Allerdings will man den Betrieb keinesfalls einstellen. „Wir sind keine Schönwetterkapitäne“, sagt Marquardt.
Ganz in der Nähe des „CaFée mit Herz“ durchforstet Adrian in der Mittagssonne einen Mülleimer nach Pfandflaschen. Er kommt ursprünglich aus Rumänien, seit einigen Jahren ist er in Hamburg. Momentan schläft er im „Pik As“, einer Unterkunft für wohnungslose Männer in der Hamburger Neustadt. Dort teilt er sich ein Mehrbettzimmer. Angst vor dem Virus habe er nicht, er sagt aber auch: „Ich bin sowieso schon schwer krank.“ Vor einigen Monaten habe er eine Lungen-OP gehabt.
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