piwik no script img

Corona-Einschränkungen in BerlinDie nächste Lockerungsübung

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Der Lockdown fiel in Berlin sanfter aus als im Rest der Republik. Trotzdem wirkte er. Das macht Hoffnung für die nächsten Wochen.

Mit Hilfe von unten geht's: Richtungsanzeiger in Corona-Zeiten Foto: dpa

W er am Mittwochabend die Nachrichten von der Kanzlerin-Schalte mit den MinisterpräsidentInnen der Länder verfolgte, dürfte sich gewundert haben: Spielplätze dürften wieder aufmachen, hieß es da, auch Museen und einiges andere – was in Berlin schon seit einigen Tagen erlaubt war. Offenbar war der Lockdown in Deutschland, der im internationalen Vergleich sowieso eher ein Löckchen war, in Berlin noch ein bisschen sanfter ausgefallen als im Rest der Republik.

Und trotzdem hat es funktioniert, allen UnkenruferInnen und Polizeigewerkschaften zum Trotz: Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist auch in der Hauptstadt weiter gesunken. Die Beispiele von (jungen) Menschen, die zu zahlreich, zu eng, zu vertraut im Park saßen – sie waren offenbar nicht die Regel im Berliner Alltag, sondern die Ausnahme. Oder, was ja niemand so genau weiß, das Virus pfeift auf diesen Übertragungsweg.

Vor diesem Hintergrund ist Optimismus durchaus angebracht, dass auch die am Mittwoch und Donnerstag vom Senat verkündeten Lockerungen ein Weg aus der Coronakrise heraus und nicht hinein in die viel prophezeite zweite Welle sind. In Berlin dürfen ab 15. Mai Restaurants und Biergärten öffnen, natürlich unter Auflagen. Auch der Breitensport kann wieder anlaufen. Sogar Kosmetik- und Massageangebote sind erlaubt.

Geschäfte dürfen unabhängig von ihrer Größe öffnen. Ab 25. Mai können dann Hotels und Freibäder öffnen. Das alles ist mehr als ein Hauch von Normalisierung – es ist ein Windstoß, stärker als erwartet, und gleichzeitig ein Vertrauensvorschuss, gewährt angesichts des von BerlinerInnen nicht unbedingt zu erwartenden solidarischen Verhaltens der vergangenen sechs Wochen.

Allerdings: Sollte es zu einer festgelegten Anzahl von Neuinfektionen kommen, sollen die Lockerungen auch wieder reduziert werden. Wie viele das genau sind, will der Senat kommende Woche entscheiden. Vielleicht wird dann auch klarer, ob die jüngsten Erleichterungen vor allem auf der Hoffnung beruhen, dass es irgendwie schon nicht zu weiteren Infektionsherden kommt, oder ob dahinter eine Strategie steckt.

Kommen endlich umfassende Tests, wie schon mehrfach angekündigt?

Etwa indem umfassender und gezielter getestet wird. Das hat Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zwar schon mehrfach angekündigt, aber nicht konkretisiert. Durch von der Kapazität her problemlos mögliche zusätzliche Tests könnten dringend benötigte Kenntnisse gewonnen werden, wie sich das Virus etwa in Schulen verbreitet.

Denn auch dort könnten sich die Fälle bald häufen: Ab Montag startet für deutlich mehr Klassen als anfangs geplant wieder der Unterricht. In den Kitas ist eine Rückkehr zum Regelbetrieb ab 1. August, wie ihn Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vor zwei Wochen angekündigt hatte, bisher aber nur schwer vorstellbar. Selbst systemrelevante Berufsgruppen haben keinen Anspruch auf Vollzeitbetreuung für ihre Kinder; ganz zu schweigen von den restlichen Eltern, die jetzt nach und nach in ihre Jobs zurückkehren.

Was manchen also als Lockerung gilt, etwa wenn das Restaurant um die Ecke wieder öffnet, wird andere vor neue Herausforderungen stellen, den Corona-Alltag zu meistern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Clevere Formulierung

    Zitat: „Die Beispiele von (jungen) Menschen, die zu zahlreich, zu eng, zu vertraut im Park saßen – sie waren offenbar nicht die Regel im Berliner Alltag, sondern die Ausnahme. Oder, was ja niemand so genau weiß, das Virus pfeift auf diesen Übertragungsweg.“

    Eine clevere Formulierung mit ambivalenter Bedeutung:



    Ob sich der Virus im Freien ausbreitet, weiß niemand so genau, oder: Der Virus berietet sich nicht im Freien aus, nur ist das noch niemandem so genau bewußt. (Letzteres dürfte allerdings zutreffen: Sogar in der dichtbesiedelten 11-Millionenstadt Wuhan ist laut chinesischen Studien nur ein einziger Fall von Infektiosität im freien dokumentiert, so Prof. Kékulé in einem Radiointerview)

    Chapeau dem Verfasser. Er kann sich mit dieser doppeldeutigen Formulierung notfalls immer auf die erstere Deutungsvariante zurückziehen, sollte jemand auf die Idee kommen, ihm einen Vorschub der Idee anzulasten, die allgemeine Sperrung von Parks, Wäldern, Stränden usw. sei bizarrer Unsinn gewesen, wenn es dort eh keine Übertragungen gebe...

  • "Wiedereröffnung in der Corona-Pandemie Schnellschüsse stürzen die Schulen nur ins Chaos.

    Hauptsache wieder auf, egal wie: Der Willen der Politiker, Erster im Öffnungswettlauf zu sein, führt in ein gefährliches



    Chaos."

    www.tagesspiegel.d...haos/25810626.html