piwik no script img

Corona-Demos in BerlinQuer­den­ke­nde machen 'ne Welle

Co­ro­nal­eug­ne­r*in­nen und Rechtsextreme werden am Wochenende in Berlin demonstrieren. Linke Gegenproteste sind schon angekündigt.

Autocorso von CoronaleugnerInnen am vergangenen Samstag in Berlin Foto: Jörg Carstensen/dpa

Berlin taz | Während die dritte Coronawelle durchs Land rollt, ist für die Verschwörungsgläubigen spätestens seit vergangenem Wochenende die zweite Welle angebrochen. Nach dem Abflauen der Proteste zum Ende des vergangenen Jahres und einem eher ruhigen Winter ist die Bewegung wieder mit mehr Menschen – und womöglich noch mehr Radikalität zurück auf den Straßen.

In fünf Städten mobilisierte die Szene am vergangenen Samstag eine vierstellige Anzahl an Teilnehmer*innen, darunter etwa 1.000 zum Bundesgesundheitsministerium in der Friedrichstraße. Der Versuch eines Spontanaufzugs wurde – anders als in Dresden, wo es auch zu massiven Angriffen auf Po­li­zis­t*in­nen kam –gestoppt. Bei einer weiteren Kundgebung am Alexanderplatz mussten Jour­na­lis­t*in­nen nach Angriffen durch Reichsbürger ihre Arbeit einstellen.

Laut „Querdenken“-Markenbesitzer Michael Ballweg will die Bewegung einen „heißen Frühling“ einleiten und sich auch über etwaige Demoverbote hinwegsetzen. Für Berlin plant die überregionale Struktur aus Stuttgart bislang zwei Groß­demos: zu den Jahrestagen der größten Aufmärsche des vergangenen Jahres, am 1. und 29. August. Am Samstag will „Querdenken“ in Kassel auflaufen, zu einer Beteiligung ruft auch der Berliner Ableger auf.

Weniger reisefreudigen Kadern rät die Organisation dazu, nach Potsdam auszuweichen. An einer dortigen Kundgebung wollen auch weitere Berliner Gruppen teilnehmen, etwa „Christen im Widerstand“, „Corona Rebellen“, „Freedom Parade“ oder „Schweigemarsch“. Was nach großer Einigkeit aussieht, ist aber das Gegenteil. Die Flucht aus Berlin ist eine Reaktion auf einen Aufruf von Rechtsextremen, Hooligans und Reichsbürger-Gruppen zu einer Demonstration, die ab Samstag früh in Mitte unter dem bei „Querdenken“ eigentlich anschlussfähigen Titel „Frieden, Freiheit, Souveränität“ stattfinden soll.

Kein großes Bündnis

Für die Rechten, etwa von der „Patriotic Opposition Europe“, die in der Vergangenheit als gern gesehene Verbündete und auch schon mit eigenem Wagen an „Querdenken“-Demos teilnahmen, ist die Absage der anderen Fraktionen eine Niederlage – eine, die auch sichtbar werden dürfte. So schreibt das Fachportal Belltower News: „Was zunächst wie ein großes Bündnis aussieht, entwickelt sich aber bei näherem Hinschauen zu einem Scheinriesen.“

Viele der 20 aufrufenden Gruppen sind wie Bärgida kaum aktiv oder reine Internetphänomene. Berlins Verfassungsschutzpräsident Michael Fischer fühlt sich dennoch an die Mobilisierung zum 3. Oktober 2019 erinnert, als 1.700 Rechte demonstrierten.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus erwartet einen „kleineren Aufmarsch“ – vermutlich im niedrigen bis mittleren dreistelligen Teilnehmerbereich –, der in einer langen Abschlusskundgebung auf dem Platz der Republik enden wird. Zusätzlich soll es noch einen Autokorso geben, der sich morgens in Zeuthen sammeln und dann in die Innenstadt fahren will. Über den Winter hinweg waren Autokarawanen das Mittel der Wahl von Berlins Verschwörerspektrum. Stundenlange Fahrten mit Lautsprecherdurchsagen gab es zuletzt wöchentlich im Westen, Osten und Süden der Stadt.

Linke Ge­gen­de­mons­tran­t*in­­nen versuchten wiederholt, sich mit Fahrraddemos dagegenzustellen. Auch am Samstag soll ein mittags startender Fahrrad­korso den Protest ins Regierungsviertel bringen. Bereits 10.30 Uhr wollen sich linke ­Jugendverbände und antifaschistische Initiativen an der Ecke Friedrichstraße/Unter den Linden zu einer Gegendemo treffen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • einen "heißen Frühling" bescheren? Hmm was hatte man gleich noch damals zur "Welcome to hell"-Demo in Hamburg gesagt?



    Hmm, am Samstag werden wir dann sehen, wie unterschiedlich die Polizeiverantwortlichen das "einschätzen" und Maßnahmen ergreifen...

    • @Daniel Drogan:

      Es kam wie es kommen musste. Polizei und Fascho-Querpupser haben sich über die Auflagen hinweggesetzt und wieder einmal vorzügliche Bilder für diese Szene geliefert. Die Polizei "hilft" uns dabei, weiter Aufmerksamkeit zu bekommen.



      Es ist 'ekelhAfD' wie die hessische Polizei in Kassel, keine Berührungsängste mit den Faschos hatte, beim Gegenprotest aber mal wieder alle Sinne verlor.



      Das wird dann nur von eine Polizeikollegen getoppt die offen ihre Sympathien mit den Faschos zeigte.

      Aber es gibt hier jetzt wieder eine Überprüfung, wie zuletzt in Leipzig (Ergebnis: 0) und auch letzte Woche in Dresden (Ergebnis: wird 0 sein).

      Wir haben ein riesiges Problem in der Polizei und der Staat versucht mit allen Mitteln, ob Verfassungsschutz, Bundeswehr, Polizei und Co. hier den Faschos mitzuhelfen!

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Der Kommentar wurde entfernt. Unsere Netiquette können Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette

    Die Moderation