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Corona-Auszeit für arme FamilienEtwa 30.000 Urlaube gefördert

Die Bundesregierung förderte Erholungsaufenthalte für arme Familien mit 50 Millionen Euro. Die Linke fordert eine Neuauflage des Programms.

Die Maßnahme soll einkommensschwachen Familien Erholung von Pandemiefolgen ermöglichen Foto: Imago

Berlin taz | Etwa 30.000 berechtigte Familien bundesweit haben von Oktober 2021 bis Dezember 2022 einen vergünstigten Erholungsaufenthalt in einer entsprechenden Einrichtung beansprucht. Das geht aus einer schriftlichen Antwort des Familienministeriums an die familienpolitische Sprecherin Gökay Akbulut (Linke) hervor.

Die Maßnahme „Corona-Auszeit für Familien“ sollte Familien „mit kleineren Einkommen“ und Familien mit Angehörigen mit Behinderung einen günstigen Aufenthalt zur Erholung von Pandemiefolgen ermöglichen.

Für eine Woche Urlaub mussten die Familien dabei etwa zehn Prozent des eigentlichen Preises für Unterkunft und Verpflegung zahlen. 125 sogenannte „Familienerholungseinrichtungen“ nahmen an dem Programm teil. Dafür investierte die Bundesregierung 50 Millionen Euro. Bereits vor Maßnahmenbeginn konnte das Familienministerium nicht absehen, für wie viele Familien das Geld reicht.

Aus der schriftlichen Antwort der Bundesregierung geht nicht hervor, wie viele Familien „den vergünstigten Erholungsaufenthalt gegebenenfalls nicht in Anspruch nehmen konnten“. Doch Akbulut schätzt die Zahl von 30.000 als zu gering ein: „Das ist angesichts der steigenden Familienarmut eine skandalös geringe Zahl.

Kritik an der Bundesregierung

Dabei hatte die Bundesregierung auch noch groß angekündigt, dass durch das Programm arme Familien entlastet werden.“ Vor allem die Inflation treffe Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien und Familien mit pflegebedürftigen Kindern besonders hart.

Die Linken-Abgeordnete fordert deshalb eine Neuauflage des Programms: „Familien mit geringem Einkommen muss dauerhaft vergünstigter Erholungsurlaub ermöglicht werden.“ Würde dies nicht geschehen, bliebe die Maßnahme „Corona-Auszeit für Familien“ ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Januar sind etwa 2,88 Millionen Mädchen und Jungen von Armut bedroht, das ist mehr als jedes fünfte Kind unter 18 Jahren. Als armutsgefährdet galt laut der Studie, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens verfügt. Besonders armutsgefährdet sind Familien von Alleinerziehenden.

Hinweis: In einer früheren Version schrieben wir von 300.000 Urlauben. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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5 Kommentare

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  • SO will ich die Linkspartei sehen. Dann verdient sie diesen Namen endlich mal wieder!

  • Urlaubsförderung mit 90% der Kosten.



    "Skandalös geringe Zahl. "



    Kann wirklich alles über Steuern bezahlt werden?



    Während der Ausnahme Corona-Zeit ok, aber ständig? Es gibt doch auch Erholungskuren etc.

    Zumal die Armutdefinition immer noch eine mathematische ist. Wenn ein paar Superrreiche mehr Supereinnahmen haben, werden Hunderte und Tausende mehr per Definition arm, obwohl sie genauso viel Geld haben wie vorher.

    • @fly:

      "Zumal die Armutsdefinition immer noch eine mathematische ist."

      Das ist sie meinem Wissen nach nie gewesen. Und wenn man dem Verständnis dessen folgt, was unter einer Definition zu verstehen ist, bliebe ein allein mathematisches Verständnis von Armut verfälschend unvollständig.

      Wikipedia: "Unter einer Definition [...] versteht man in Logik und Wissenschaftstheorie die Bestimmung eines Begriffs (Begriffsbestimmung) oder die Erklärung des Wesens einer Sache."

      Um das Wesen einer Sache/Phänomens zu erfassen, muss man beschreibend u. analysierend von der Realität des zu erfassenden Gegenstandes ausgehen. Nur so erhalten sie einen Begriff, welcher auf diese Realität zurückführbar ist. Das ist der Sinn einer solchen Definition. Mathematische Verfahren können dabei hilfreich sein. Doch können sie soziale Wirklichkeit eben nicht rechnen. Sie können sie mit mathematisch-statistischen Verfahren wie eben genannt vielleicht besser erfassen.



      Um dem auf die Spur zu kommen, gibt uns die Autorin Anna Mayr in ihrem Buch „Die Elenden“ dafür eine Textaufgabe zum lösen auf. Mayr wuchs als Kind arbeitsloser Eltern auf. Vor diesem Hintergrund Mayer:



      „Ihr Wasserkocher ist kaputt gegangen. Sie haben den Vormittag in Geschäften verbracht und Preise verglichen. Von 15 Euro Kann man einen Wasserkocher und ein Paar Schuhe kaufen. Man braucht nur viel Zeit dafür.“

      Hier spricht jemand, der eine solche Textaufgabe in der PRAXIS lösen kann! Was sehr viele wohlhabendere Menschen sehr optimistisch gegenüber der Armut stimmt. Solange sie diesen Feldversuch nicht selbst PRAKTISCH lösen müssen. Und zwar unter der realistischen Voraussetzung es über Monate oder Jahre tun zu müssen, in denen sich diese „Textaufgaben“ kontinuierlich jeden Monat neu stellen, in allen Lebensbereichen.

      Zur Bearbeitung der Aufgabenstellung: Anna Mayr, Die Elenden, Einleitendes Kapitel: Nehmen wir einmal an. PDF-Auszug des Buches hier, Seite 10:

      files.hanser.de/Fi...446268401_0002.pdf

    • @fly:

      Das hat mich auch sehr erstaunt, diese Förderung in dieser Höhe.



      Das kann nicht Normalität werden

      • @R.A.:

        Solange die Kinder- und Jugendarmut so ist, wie sie ist, MUSS es Normalität sein.

        Artikel 2(1) Grundgesetz, was ist das?