Corona-Anhörung im Abgeordnetenhaus: Bevor die Lichter ganz ausgehen
Handelsverbandschef Nils Busch-Petersen drängt auf weitere Öffnungen – sonst nimmt aus seiner Sicht die „DNA der Stadt“ Schaden.
![Das Foto zeigt ein Schild an einer Ladentür, auf dem "geschlossen" steht. Das Foto zeigt ein Schild an einer Ladentür, auf dem "geschlossen" steht.](https://taz.de/picture/4718107/14/26900228-1.jpeg)
Im Abgeordnetenhaus, genauer im Plenarsaal, hören ihm immerhin die Mitglieder des Hauptausschusses zu. Eine Anhörung steht auf der Tagesordnung: Welche wirtschaftlichen Folgen die Pandemie habe, will man wissen. Busch-Petersen kennen viele Abgeordneten seit Langem, er ist seit über 15 Jahren Verbandschef, von ihm weiß man, dass da kein Dampfplauderer spricht.
Und der berichtet nun, während der geöffnete Teil des Handels mit Supermärkten und Drogerien überdurchschnittlich gut laufe, mache sich bei den anderen „zunehmend Verzweiflung und Entsetzen breit“. Jeder zweite Betrieb sage, er werde das Jahr ohne adäquate Hilfe nicht überstehen. Das sei nicht bloß für die direkt Betroffenen verheerend, nein, das werde auch erhebliche Auswirkungen „auf die DNA der Stadt“ und ihre Einkaufsstraßen haben.
Busch-Petersen stellt die Logik des Lockdowns infrage. Eine Studie habe ergeben, dass es im geöffneten Einzelhandel ein Viertel weniger neue Corona-Infektionen gebe als im bundesweiten Durchschnitt. „Der Handel ist ein sicherer Hafen“, sagt er. Außerdem: In anderen Zeiten komme es im Berliner Handel täglich zu 2,25 Millionen Kontakten. Vier Fünftel davon gebe es auch im Lockdown über die offenen Geschäfte – warum für das letzte Fünftel trotz Hygienekonzepten alle anderen schließen?
Volkswirt: Berlin ist tiefer gefallen
Ein Volkswirt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird anschließend sagen, Berlin sei in ein tieferes Loch gefallen als andere Regionen. Das sieht man auch bei der Investitionsbank so: „Berlin ist aufgrund seines hohen Dienstleistungsanteils besonders betroffen.“ Die Industrie- und Handelskammer mutmaßt, die Krise drohe langfristige Brüche zu erzeugen, „wir werden erhebliche Insolvenzen haben“.
Hört man wenig später die Einschätzung von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), so klingt das etwas anders. Für sie ist das Glas halb voll, nicht halb leer: 10 bis 12 Prozent Rückgang in der Berliner Wirtschaft habe man befürchtet, nun liege man mit rund 5 Prozent im Bundesschnitt. Ihr Fazit: „Unsere Wirtschaftsstruktur ist krisenresistenter geworden.“
Was die Abgeordneten im Plenarsaal samt der zugeschalteten Experten eint, fasst Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) in Worte: „Die Kanzleramtsschalte läuft gerade parallel, wir wissen nicht, was dabei rauskommt.“ Er ist erst einen Tag später mit dem Entscheiden dran: Am Donnerstag beschließt der Senat in einer Sondersitzung, welchen Weg Berlin geht. Zumindest Lederer, Pop und weitere Senatsmitglieder im Saal könnten dabei Busch-Petersens Bericht noch im Ohr haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben