Comic-Verfilmung „Wonder Woman“: Ein feministischer Meilenstein?
Endlich wieder ein gelungener Beitrag zum SuperheldInnen-Universum: „Wonder Woman“ schickt Diana in den Ersten Weltkrieg.
Etwas ist anders geworden in der Welt des Superheldenkinos. Nicht nur, dass es so viel mehr davon gibt, quasi eine ganze Milchstraße mit einzelnen Galaxien beziehungsweise „Universen“, in denen die Helden in wechselnden Konstellationen zusammenkommen.
Es hat sich auch am Charakter der Filme etwas geändert, und damit meine ich nicht den Inhalt. Der folgt wie jetzt wieder in „Wonder Woman“ dem für das Genre üblichen Muster: Die Welt muss gerettet werden, ein Superheld findet sich, der den Job erledigt, ein paar Bösewichte werden vorgestellt und alles ist immer nur Anfang weil Franchise.
Im konkreten Fall von „Wonder Woman“ ist das eine kühne Mischung aus Amazonensage und Erstem Weltkrieg, mit Chris Pine als Spion und Flieger und Gal Gadot als der schönen Göttin, die ihm hilft, das böse Dreigestirn aus General Ludendorff, Kriegsgott Ares und einer weiblichen Mengele-Vorläuferin namens „Dr. Poison“ zu bezwingen.
Von Patty Jenkins mit sicherem Gespür auf dem exakten Grat zwischen „unangemessen ernst“ und „fast schon lächerlich“ inszeniert, bietet „Wonder Woman“ all das, was die Fans heute so haben wollen: Schlachtspektakel mit viel Feuerwerk, unterbrochen von komödiantischem Geplänkel und ein bisschen keusche Romantik.
Wegweiser in die Zukunft?
Ein Film, der seinen Comic-Ursprüngen huldigt und sie zugleich so weit modernisiert, dass man sich auch als Erwachsener nicht schämen muss beim Freudehaben. Es geht runter wie Öl, wie man so sagt. Zumindest nach der Meinung der Fans, die sich auf den sozialen Medien aggregieren lässt. Dort wird „Wonder Woman“ aber nicht nur als endlich mal wieder gelungener Beitrag zum DC-Superhelden-Universum gefeiert, sondern als nichts weniger denn als Wegweiser in die Zukunft, Durchbruch für die Gleichberechtigung und feministischer Meilenstein.
Und genau das ist es, was so anders geworden ist im Superheldenkino. Wo früher Superman und Batman noch völlig unverstellt als Kommerzprodukte daherkamen und sich und ihren Fans als eskapistische Unterhaltung einigermaßen genug waren, hat eine schleichende Umwertung stattgefunden. Es ist ein bisschen wie bei der Umstellung von Fertigungs- auf Dienstleistungsbetrieb: Auf einmal wird der ideologische Überbau wichtiger. Statt um konkrete, handwerkliche Dinge geht es ums große Ganze, um Image, Ideologie und Identität.
Fast glaubt man sich in der Politik gelandet: Da werden die Superhelden-Produktlinien aus den Verlagshäusern DC und Marvel wie oppositionelle Parteiprogramme behandelt. Auf der einen Seite Marvel als die Spaßpartei mit ihrer progressiven Ironie und den gut gelaunten Helden, auf der anderen DC mit seinem Hang zur Düsternis, viel Gemetzel und Recht- und Ordnungsdiskussionen.
Aus klebrigen Kontexten gelöst
Für Außenstehende wird der Unterschied nicht immer ganz deutlich, die jeweiligen Fans aber reagieren wie in Monty Pythons „Leben des Brian“, wo die „People’s Front of Judea“ mehr Verachtung für die „Judean People’s Front“ („Wankers!“) hegt als für die bekämpften Römer. Dass Patty Jenkins’ „Wonder Woman“ der erste von einer Frau inszenierte Film ist, der ein Einspielergebnis von über 100 Millionen am Eröffnungswochenende in den USA erreicht, wird daher gemeldet wie ein Wahlsieg.
Und wer wollte da etwas dagegen haben. Denn was haben die Römer, soll heißen Hollywood, uns bislang eigentlich gebracht? „Wonder Woman“ in der Vorlage war eine Kreation für den männlichen Blick, mehr Pin-up-Girl als Ermächtigungsikone, lüstern mit ein bisschen Domina/Sado-Maso-Fantasie (das Lasso!) unterfüttert. Patty Jenkins, und das ist tatsächlich keine kleine Tat, gelingt es, die weibliche Superheldin aus beiden leicht klebrigen Kontexten zu lösen und wie frisch geboren dastehen zu lassen.
Wenn man sie zum ersten Mal sieht, ist Diana – an keiner Stelle des Films fällt der Name Wonder Woman, worin sich eine Art Trotz verbergen könnte – noch ein Mädchen auf einer behüteten Amazonen-Insel unter dauerblauem griechischem Himmel. Sie ist das einzige Kind unter lauter Frauen, die stark und blond und schön sind wie Connie Nielsen und Robin Wright. Von Letzterer lernt sie gegen den Willen der Mutter das Kämpfen. Kaum dass sie erwachsen ist und die göttinnengleiche Gestalt von Gal Gadot angenommen hat, stürzt auch schon Spion Steve Trevor (Chris Pine) mit seinem Flugzeug durch den von Zeus errichteten Schutzschild der Insel, gefolgt von einer Horde deutscher Soldaten.
Die Schlacht, die sich entfaltet, ist einerseits groteskes Theater – Amazonen, die reitend und durch die Lüfte fliegend mit Pfeil und Bogen gegen ungelenke, aber dafür mit modernem Schießgerät hantierende Soldaten antreten! – und andererseits hübsch absurde Zack-Snyder-Choreografie (der hier einen Story- und Produzenten-Credit hat) mit Zeitlupe und Schwerelosigkeit. Wer den Kopf darüber schüttelt, nimmt es zu ernst, wer darüber lacht, nicht ernst genug. Das Geheimnis liegt in der Haltung mittendrin.
Die Welt retten, ihre ureigenste Aufgabe
Wem das gelingt, wird auch am Rest des Films sein Vergnügen finden. Denn Diana beschließt, Trevor nach London zu begleiten, um, verkürzt gesagt, den Ersten Weltkrieg zu beenden. In London wird sie gleichsam der Welt des Films und dem Zuschauer wie eine „Debutante“ vorgestellt. Und als solche erobert sie die Herzen als intrigierende Mischung aus naiv und schlau – sie spricht 180 Sprachen, aber man muss ihr erklären, was die Amerikaner mit den Indianern gemacht haben. Sie weiß nicht, was eine Kriegsfront ist, aber wenn sie vom Leiden der Zivilbevölkerung in Belgien hört, kann kein Mann sie aufhalten.
Darin ist sie tatsächlich Superheldin: Die Welt zu retten, empfindet sie als ihre ureigenste Aufgabe. So ist auch ihre Schönheit, die selbst in Suffragettenverkleidung nicht unsichtbar bleibt, eine ihrer Superkräfte. Sie setzt sie nicht wie ein böses Bond-Girl mit Berechnung ein, sondern nimmt das Erstaunen und Verstummen der Männer um sie herum („I’m both frightened and aroused!“, sagt einer) mit ähnlicher Gleichmut hin, mit der Chris Hemsworth’ Thor seinen Hammer in die Garderobe hängt. Aber halt, das ist ein Marvel-Film und deshalb ein unzulässiges Beispiel.
Regie: Patty Jenkins. Mit Gal Gadot, Chris Pine u. a. USA 2017, 141 Min., ab 15. Juni
Womit man wieder bei der überfrachteten Metaebene der Superheldenfilme wäre, deren Debatten im Vorfeld des „Wonder Woman“-Kinostarts fast hysterische Ausmaße annahmen, mit männlichen Protesten gegen „Women only“-Screenings und einem Social-Media-Mob, der einen Filmkritiker zur Selbstkritik nötigte, da sein Text als machohaft, misogyn und lechzend empfunden wurde. (Vom Verbot im Libanon wegen der israelischen Hauptdarstellerin Gadot ganz zu schweigen.)
Die Geste zählt
Ist die frische, tapfere, schöne neue Superheldin, die in der Schlacht in Hotpants und Metall-BH antritt, tatsächlich so feministisch? Oder ist sie das nur, weil auch hinter der Kamera diesmal eine Frau steht? Vielleicht zählt einfach die Geste, der repräsentative Akt als solcher – das weibliche Kinopublikum immerhin schien ihn mit einem Überhang von 52 Prozent unter den Besuchern am ersten Wochenende zu würdigen.
Den Bechdel-Test (mindestens zwei Frauen, die über etwas anderes als Männer reden) besteht der Film nur gerade mal so. Als verpasste Chance erscheint, dass es zwar auch unter den Bösewichten eine Frau gibt, besagte Dr. Poison, dass es aber nicht wirklich zur Auseinandersetzung zwischen guter und böser Heldin kommt. Entweder es war den Machern doch zu viel Weiblichkeit oder sie sparen sich den Konflikt für das nächste Sequel auf.
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