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Clubsterben in BerlinEine Schneise der Verwüstung

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Der traditionsreiche Technoclub Wilde Renate soll Ende nächsten Jahres schließen. Schuld ist noch nicht die A100, sondern ein dubioser Spekulant.

Eigentümer Padovicz hat den nett gemeinten Hinweis am Club der Wilden Renate wohl nicht gelesen Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

D ie Nachricht, dass der Technoclub Wilde Renate wahrscheinlich schon bis zum Ende nächsten Jahres schließen muss, schockiert. Die Renate ist seit ihrer Gründung 2007 aus dem Berliner Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Der Club erstreckt sich über mehrere Etagen in einem unsanierten Altbau. Statt riesiger Floors laden liebevoll dekorierte Zimmer sowie ein ausladender und verwinkelter Garten dazu ein, sich in einer verwirrenden wie charmanten Parallelwelt zu verlieren. Dass etwas Vergleichbares an anderer Stelle wieder neu entstehen könnte, ist im durchgentrifizierten Berlin höchst unwahrscheinlich. Wo findet man schon einen unsanierten Altbau?

Der Grund, den die Be­trei­be­r:in­nen in einer Pressemitteilung am Mittwoch nennen, ist so banal wie frustrierend: Der Eigentümer, der berüchtigte Immobilienhai Gijora Padovicz, will den Mietvertrag mit den Be­trei­be­r:in­nen nicht mehr verlängern.

„Trotz intensiver Bemühungen, eine Verlängerung des Vertrags oder alternative Lösungen zu finden, müssen sich die Clubbetreibenden der Tatsache stellen, dass die Renate nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in ihrer derzeitigen Form bestehen kann“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Statement des Clubs.

Padovicz’ Geschäftsmodell besteht darin, heruntergerockte Immobilien billig zu kaufen und etwaige Zwischennutzer:innen, die der maximalen Verwertung im Weg stehen, rabiat zu entmieten. Allein in Friedrichshain sind über 200 Immobilien im Eigentum von Padovicz’ Firmengeflecht. Die Liste an Clubs und Hausprojekten, die dem Profitstreben des Unternehmers in den vergangenen Jahren zum Opfer gefallen sind, kann es durchaus mit der A100 aufnehmen.

Das Autobahnprojekt droht bekanntlich eine kulturpolitische Schneise der Verwüstung druch Friedrichshain zu ziehen. Das zeigt allein schon die schier endlos lange Liste an bedrohten Projekten: das About Blank, die Neue Zukunft, das Oxi, das Void, die Villa Kuriosum, der Club Ost, die Else und last but not least – die Wilde Renate.

Meister der Verdrängung

Doch während der 17. Bauabschnitt der A100 nur auf dem Papier existiert, hat Padovicz bereits wie ein Bulldozer in der Berliner Kulturlandschaft gewütet. Da wäre der Technoclub Rummelsbucht, zwei Mietshäuser und der queere Wagenplatz „Mollies“, die an der Rummelsburger See Luxusneubauten weichen mussten. Oder das queerfeministische Hausprojekt Liebig 34, das 2020 mit einem massiven Polizeiaufgebot geräumt worden ist.

Latent bedroht ist aktuell auch das Watergate an der Oberbaumbrücke. Wie schon bei der Renate verdoppelte Padovicz 2017 kurzerhand die Miete und brachte den Club in existenzielle Schwierigkeiten. Auch im Wiesenweg 1–4 am Lichtenberger Gleisdreieck will der Immobilienunternehmer hoch hinaus. Dort, wo jetzt der Oxi-Club sein Zuhause hat, soll bald ein Büroturm entstehen. Ob der Klub an dem Standort gehalten werden kann, ist unklar.

Die Frage ist, was Padovicz mit dem brüchigen Altbau, der der Wilden Renate ihren Charme verleiht, aber zum Wohnen denkbar ungeeignet ist, überhaupt anstellen will. Zumal die Frage, ob das ganze Gebäude für die A 100 abgerissen werden muss, nach wie vor im Raum steht.

Einen Ausblick bietet das Schicksal der Liebig 34. Nach oberflächlicher Sanierung verpachtete Padovicz das Haus an einen dubiosen Subunternehmer, der wiederum die Schrottwohnungen zu überhöhten Preisen an Geflüchtete vermietete.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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2 Kommentare

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  • Das grundsätzliche Problem liegt ja wohl bei diesem schädlichen Geschäftsgebahren. Andernorts wird das ja auch bei Zwangsversteigerungsobjekten an den Tag gelegt und nur die Anzahlung hinterlegt und die eigentliche verzögerte "Finanzierung" erfolgt über Wuchermieten für das Schrottobjekt. Da muss das Gesellschaftsrecht dringend angepasst werden und wenn man noch offene Deckel hat, dürfte man keine neue Gesellschaft gründen, ebenso muss auch gegen dubiose Strohleute und unter noch dubioseren Umstände im Ausland gegründete Gesellschaften vorgehen. Beginnen sollte man mit einem bundesweiten Zentralregister (Abgleich mit Finanz- und Meldeämtern) sowie eine Zulassungsprüfung und Registrierung von Anwälten und Notaren die Gesellschaftsverträge und Firmengründungen vornehmen.

    Der andere Punkt ist die kulturelle Bedeutung der Clubs und ähnlicher Veranstaltungseinrichtungen. Nachdem ich jetzt gelesen habe, dass doch noch immer mehr Menschen in Deutschland Theater besuchen als Fußballspiele (beide sehr oft direkt und indirekt subventioniert), sollte man mal die Besuchszahlen der Clubs in die Waagschale werfen und mindestens adminstrative Unterstützung beim Bestandsschutz einfordern.

  • Die Grundlage der Clubs ist doch in den meisten Fällen eine Zwischennutzung bis zu einer späteren Finalnutzung. Kommt die A100 verschwinden sie. Kommt die A100 nicht, werden die Eigentümer andere Nutzungen suchen. Alles, was im Bereich der künftigen A100 liegt, wird früher oder später schließen. Es bleiben das Berghain, YAAM, Watergate, Sage, Tresor, Kater Blau und mit etwas Glück Sisyphos. Die Wilde Renate hatte nie eine Chance.