Clubs in der Coronakrise: Perspektivlos im Shutdown
In Niedersachsen sorgen sich die Grünen um die Club- und Festivalkultur. Sie fordern ein eigenes Rettungsprogramm.
In Wirklichkeit war die Clubszene Hannovers natürlich vorher gebeutelt: Alte traditionsreiche Clubs sind Sanierungs- und Umbaumaßnahmen zum Opfer gefallen, Newcomer haben es schwer an Baugenehmigungen zu kommen. Vor allem in einer Stadt, in der die Mieten immer teurer und die Anwohner:innen immer empfindlicher werden. Die Erfahrung zeige, wenn ein Club geschlossen werde, bleibe er das meistens, sagt Eva Viehoff, die kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Der Standort gehe unwiederbringlich verloren.
Im Gegensatz zu Kulturstätten hätten die Clubs auch bei der Bebauungsplanung schlechtere Karten, erklärt Viehoff. Milieuschutz oder städteplanerische Berücksichtigungen gibt es hier nicht. Clubs sind rechtlich als Vergnügungsstätten eingeordnet – genauso wie Spielotheken, Wettbüros und Bordelle.
Das müsse sich ändern, weil es dem kulturellen Beitrag, den Clubs leisten, überhaupt nicht entspreche, finden die Grünen. Sie fordern zudem ein eigenes Rettungspaket im Nachtragshaushalt, damit Corona der Szene nicht vollständig das Genick bricht.
Zwar haben einige von den bisherigen Nothilfen profitiert, aber das wird auf die Dauer nicht reichen. Clubs sind ja meist keine Unternehmen mit x Angestellten und kreditfinanzierten Investitionen, die sich hier geltend machen lassen – viele arbeiten ohnehin immer am Limit mit kleinen Teams, 450-Euro-Kräften, Aushilfen, selbstständigen Techniker:innen und Künstler:innen.
Gleichzeitig trifft sie die Coronaschließung eben härter als alle anderen Branchen: Noch immer ist nicht klar, wann sie überhaupt wieder aufmachen dürfen. Festivals wird es erst im nächsten Jahr wieder geben. Welche Folgen das hat, lässt sich jedes Wochenende auf der Limmerstraße erkennen: Das berüchtigte „Limmern“ hat Ausmaße angenommen, bei denen selbst den geduldigsten Anwohner:innen der Geduldsfaden reißt. In den Sommernächten tummeln sich hier tausende Jugendliche bis in die frühen Morgenstunden, Straßenbahnen kommen nicht mehr durch, die Polizei, ein privater und ein kommunaler Ordnungsdienst sind im Dauereinsatz.
Man wundere sich, dass nicht längst Stuttgarter Verhältnisse herrschen, hieß es neulich in einem Leserbrief in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Da wird offensichtlich, was die Clubs sonst nebenbei leisten: Die Feiermeute im Zaum halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“