Claudia Roth auf dem Kirchentag: Anstrengender Gretchentag
Auf dem Evangelischen Kirchentag ist Claudia Roth im Revier ihrer ehemaligen Rivalin Katrin Göring-Eckardt. Göring-Eckardt ist EKD-Präses. Roth ist Ex-Katholikin.
HAMBURG taz | Die Koordinaten der grünen Insel sind Halle A4, Stand B33. Claudia Roth, Parteivorsitzende der Grünen, steuert sie direkt vom Parkplatz an. Sie will ran an die Basis auf dem Kirchentag. Hier stehen sie, die Anti-Atom-Aktivisten aus Indien und der alte Bärtige, der ein Autogramm will. Seine Hände zittern. Aber vor allem geht es Roth um die Freundinnen und Freunde von der Bundesarbeitsgemeinschaft – Christinnen und Christen bei Bündnis 90/Die Grünen. Roth bekommt ein Mikrofon.
„Ja, dann herzlich Willkommen hier an unserem Stand“, sagt der grüne Christ. „Du bist der Lieblingsgast der Moderatoren, wenn du da bist, ist immer Action.“ Für Roth ist es die dritte Veranstaltung heute. Vorher zwei Podiumsdiskussionen. Flüchtlingspolitik, Welthunger, auf ihrem Gesicht liegt ein glänzender Film.
„Was ist los in einer Welt, in der Armut herrscht?“, ruft Claudia Roth. In Afrika! Syrien! Die Armut habe auch in Deutschland ein Gesicht, sagt sie: alleinerziehende Mütter. Und die Energiewende. Was ist überhaupt Reichtum? Der bemisst sich doch auch am ökologischen Fußabdruck. Da muss man nicht debattieren: Sind wir ein Einwanderungsland?
Eine kleine Menschentraube hat sich vor dem grünen Zelt gebildet, ältere Leute mit Regenjacken und blauen Kirchentagshalstüchern. Schweigend blicken sie Roth an. „Wir wollen nicht nur das C im Namen haben, sondern sollen sagen: Wie sieht das Christentum heute aus?“ Einer räuspert sich. Gegenüber steht die CDU. „Tut mir leid, ich seh das hier nur immer vor mir“, sagt Roth und zeigt auf deren oranges Banner.
Konfessionslos
Noch Fragen? Im Herbst 2012 war die Wahl der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirchentagspräsidentin von Dresden, gewann. Claudia Roth, konfessionslos, verlor.
„Frau Roth, wir sind ja hier auf’m Kirchentag“, sagt ein Herr mit grauem Haar. „Ein Teil der Grünen hat ja gefordert, die Kirchensteuer abzuschaffen.“ Wie sie dazu stehe, will er wissen. „Wir haben dazu eine Kommission gebildet“, sagt Roth. Parteibeschlüsse gebe es nur zum Thema Arbeitsrecht. Roth holt Luft. „Ich war vor wenigen Wochen, an einem Tag, der mir viel bedeutet – am Karfreitag – an der syrischen Grenze. In Kurdistan, Irak.“ Viele Christliche Flüchtlinge habe sie getroffen, sagt sie.
Auch Roth hat zwischen dem Flüchtlingspodium am Morgen und dieser Rede am Nachmittag einen himmelblauen Kirchentagsschal bekommen, den sie jetzt über ihrem bunten Seidenkleid trägt. Ein zweiter Mann drängelt sich nach vorne. „Wir sind hier nun auf dem Kirchentag“, sagt er ins braune Mikro. „Wie stehen Sie zur Kirche? Zum Christentum? Wie leben Sie es?“
Roth sagt: „Ich war ein Omakind.“ Mit ihr sei sie im „Franziskanerklöschterle“ gewesen, den Franz von Assisi angucken. Der hatte keine Socken an. Der glücklich strahlende Bettelmensch. Aber die Eltern, die wären ausgetreten. Und Roth dann auch. „Aus der Institution der katholischen Kirche“, ergänzt sie. „Ich bin immer noch auf der Suche nach dem Glauben.“ Der christliche Grüne findet: „ein schönes, christliches Schlusswort!“.
Schnell werden noch Fotos mit den Alten, den Aktivisten gemacht und ein Geburtstagsgruß wird in die Kamera gestrahlt. Roth ist fröhlich. Dann zieht sie der Assistent weiter. Zurück zum Auto. „Ich kann nicht mehr“, sagt Roth. Sie muss jetzt zum Flughafen, zum katholischen Kloster Benediktbeuern in den Alpen. „Noch ein Foto für Online“, sagt der Assistent. Roth grinst. Dann steigt sie in den Wagen. „Das geht jetzt immer so weiter“, sagt sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!