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Clara Zetkin und PazifismusFürs Leben kämpfen statt den Tod

Die Sozialistin Clara Zetkin rief einst die stille Mehrheit der Eu­ro­päe­r*in­nen zum Widerstand gegen den Krieg auf. Was sie wohl heute sagen würde?

Eine Mutter auf der Flucht mit ihrem Kind am Bahnhof Nyugati in Budapest Foto: Marton Monus/Reuters

W enn die Männer töten, so ist es an uns Frauen, für die Erhaltung des Lebens zu kämpfen“, schreibt Clara Zetkin, die Erfinderin des Frauentags, in einem ihrer „Kriegsbriefe“. Es ist der Erste Weltkrieg und die Sozialistin Zetkin versucht es mit Verständigung. Mit ihren Brieffreundinnen auf dem ganzen Kontinent stellt sie 1915 eine feministische Friedenskonferenz in Bern auf die Beine, trotz Reiseverboten und Zensur.

Verständigung von unten ist in diesen Tagen wieder wichtig, auch wenn Krieg nicht mehr pauschal als „Männersache“ zu begreifen ist. Was nach wie vor stimmt: Es gibt Menschengruppen, die im Krieg besonders verlieren. Frauen sind während und nach kriegerischen Konflikten häufiger von Gewalt betroffen, oft von sexualisierter Gewalt; sind häufiger unterernährt; laufen eher Gefahr, an Schwangerschaft zu sterben; müssen pflegen, arbeiten, Familien durchbringen. Außerdem befördern Kriege nationalistische und reaktionäre Stimmungen.

Alte Hierarchien werden besungen, Menschen „an ihre Plätze verwiesen“. Ich warte darauf, dass jemand wieder die Streiks in den Kitas geißelt oder die Reform der Trans-Gesetze verhöhnt, weil alles „Gedöns“ jetzt zu warten habe. Und so lässt sich die Gruppe ausweiten von (cis) Frauen auf Queers, behinderte Menschen, People of Color, Alte, Arme, Kranke, Psychos und Sensible. Clara Zetkin hielt nicht viel von Partikularismus („Identitätspolitik“), wusste aber: Die, deren Gedanken eh schon täglich ums Überleben kreisen, können auf jeden mörderischen Kick gut verzichten.

Zetkin appellierte an eine entscheidende Mehrheit der Europäer*innen, von der sie glaubte, dass sie in Wahrheit kein Interesse am Krieg hätte. Der Krieg dauerte dennoch an, was ihr zugesetzt haben muss. Was sie wohl heute sagen würde? Damals haute sie ihrer Partei, der SPD, die Kriegstreiberei um die Ohren. Sie sah den Krieg als Verbrechen an den Ar­bei­te­r*in­nen seitens der männlichen besitzenden Klasse. Damit könnte man heute manchen linken Hot Take unterfüttern: Nato, Russland, alles Imperialisten! Würde Zetkin sich heute mit Kritik am russischen Machthaber vornehm zurückhalten?

Auch Pazifismus kennt Grauzonen

Eher würde sie die Position derer einnehmen, die am meisten betroffen sind und am wenigsten profitieren. Auch Pazifismus kennt Grauzonen. Sie würde wohl sehen, dass der Westen zwar ausbeutet, Russland aber angegriffen hat (und auch ausbeutet). Würde sehen, dass es keine „Seiten“ gibt, dass Putins Krieg niemandem nützt. Dass mehr Leid verhindert werden muss. Würde sie sagen: „– mit allen Mitteln“?

In jedem Fall würde sie eine grenzenlose „Verständigung von unten“ fordern. Einen Universalismus all derer, die lieber fürs Leben kämpfen als für den Tod. Sie würde vielleicht erneut an die entscheidende Mehrheit appellieren, die eigentlich keinen Krieg wollen kann. Vielleicht hätte sie diesmal recht.

Hoffentlich.

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Clara Zetkin ist doch sehr notwendig für friedlichen Dialog und



    Anerkenntnis auf Augenhöhe? Auch ist die moderne Diplomatie, mit oftmals



    atomar/zerstörerischen Waffenpotential im Rücken, sehr geprägt von



    Idèen der Empathie und Respekt gegenüber militanten Konfliktparteien.



    Pazifismus bedeutet ja auch "gewaltloser Dialog für Wahrheit".



    Und durch die ständigen Möglichkeiten, durch gedankenlose Diplomatie,



    oder durch Verherrlichung der Kampfesehre der Kämpfer, durch national/



    regional/provinzielle Doktrinen, 'kann die ganze Welt in Brand gesetzt werden'!

  • Ein schöner Kommentar.



    ich fürchte hier allerdings einen Rechenfehler: In allen Kriegen sind es die Männer die das meiste Leid erleben. Sie sterben oder sie kommen an Körper und Seele schwer verletzt zurück.