Christian Rath zur Information von Personen auf rechten „Feindeslisten“: Gefährliche Eigendynamik
Der Plan klang pfiffig. Über eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz wollte das Transparenzportal FragDenStaat erreichen, dass alle Personen informiert werden, die auf sogenannten Feindeslisten der rechtsextremen Nordkreuz-Gruppe stehen. Juristisch ist der Versuch beim Verwaltungsgericht Wiesbaden nun aber schon im Ansatz gescheitert.
Erfolgreich war nur die Wirkung in der Öffentlichkeit. Auch weil viele Medien über den Rechtsstreit berichtet haben, wuchs der Druck auf die Polizei, die Betroffenen zu benachrichtigen. In mindestens vier Bundesländern (Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Brandenburg) werden gelistete Personen nun von der Polizei angeschrieben. Dieser Flickenteppich ist aber völlig unbefriedigend. Denn niemand kann erklären, warum die Gefährdungsanalyse in Hessen anders sein soll als zum Beispiel in Hamburg.
Natürlich ist es wichtig zu unterscheiden, woher die Namen stammen. Ein Großteil der Nordkreuz-Daten wurde nicht von dieser Gruppe gesammelt, sondern stammt aus dem Hack eines Punk-Versandes. Auf dieser Kundenliste stehen also vermutlich auch Leute, die nur Farbe kauften, um sich damit die Haare blau zu färben. Ob sie gefährdet sind, ist offen. Viel höher jedenfalls scheint die Gefährdung von Personen, deren Daten von den Nazis gezielt zusammengestellt wurden, wohl im Zusammenhang mit ihren Liquidationsfantasien.
Allerdings können solche Listen im Nazi-Kontext auch eine gefährliche Eigendynamik bekommen. So wurde die Kundenliste des Punk-Versands auf einem russischen Portal als Liste von Antifa-Mitgliedern angepriesen.
Noch schlimmer: Selbst das Gericht nannte die Datensammlung „Antifa-Liste“. Durch solche Etikettierungen können selbst unpolitische Punks ins Fadenkreuz von völkischen Möchtegern-Vollstreckern geraten.
Genau deshalb sollten letztlich doch alle Personen informiert werden, die auf solchen Listen genannt werden. Denn eins ist klar: Wer den Nazis als Feindbild gilt, der ist gefährdet.
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