Chorasan-Dschihadisten in Syrien: Keine eigenständige Organisation
Die USA haben in Syrien auch Stellungen der sogenannten Chorasan-Gruppe angeriffen. Laut Experten handelt es sich um eine Zelle von Al-Qaida-Veteranen.
BERLIN taz | Bei ihren Luftangriffen gegen Dschihadisten in Syrien haben die US-amerikanischen Militärs auch Stellungen der sogenannten Chorasan-Gruppe in den Provinzen Aleppo und Idlib bombardiert. Zur Begründung sagte Justizminister Eric Holder, damit sei ein möglicher Terroranschlag auf westliche Ziele vereitelt worden.
Über die Gruppe ist bislang wenig bekannt, ihr Name tauchte zum ersten Mal vor zwei Wochen in amerikanischen Medien auf. Am 20. September sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, James Clapper, Chorasan könne für die USA genauso gefährlich werden wie der Islamische Staat (IS).
Chorasan ist zunächst einmal der Name einer iranischen Provinz. In Al-Qaida-Kreisen wird er verwendet, um den Raum Iran, Pakistan und Afghanistan zu bezeichnen. Der Chef der Gruppe, Muhsin al-Fadhli, dem die US-Angriffe möglicherweise galten, wird in sozialen Medien auch Abu Asma al-Chorasani genannt.
Fadhli, ein kuwaitischer Al-Qaida-Veteran, gehörte zum engeren Kreis des Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden und lebte einige Jahre im Iran. Wie die Gruppe sich selbst nennt, ist nicht bekannt. Sie arbeitet heute mit der Al-Nusra-Front in Syrien zusammen, dem offiziellen lokalen Ableger von al-Qaida.
Nach Angaben von Aron Lund, einem Experten für syrische Islamisten und Dschihadisten und Mitarbeiter der Carnegie-Stiftung, ist Chorasan keine eigenständige Organisation. Vielmehr sei sie Teil eines Netzwerks von al-Qaida mit speziellen Aufgaben im Rahmen der Al-Nusra-Front oder in Kooperation mit dieser. Anders gesagt: Die Gruppe ist eine Zelle von Al-Qaida-Veteranen, die aus dem Ausland nach Syrien gekommen sind und in direktem Kontakt zu Aiman al-Sawahiri steht, dem Chef von al-Qaida. Offenbar genießen sie den Schutz der Nusra-Front, unter deren Dach sie Anschläge gegen die USA und andere westliche Staaten vorbereiten sollen.
Nach US-Angaben kollaboriert Chorasan außerdem mit jemenitischen Bombenspezialisten und westlichen Extremisten. Deshalb verbot die US-Transportsicherheitsbehörde im Juli, auf Flügen aus Europa und dem Nahen Osten in Richtung USA unaufgeladene Handys und Laptops mitzuführen.
Mit den US-Angriffen auf die Chorasan-Gruppe haben die USA vermutlich zugleich die Nusra-Front geschwächt – in zwei Provinzen, in denen auch andere, gemäßigte Gruppen von Rebellen präsent sind. Also jene, die die USA militärisch unterstützen wollen, wie Lund in seinem Blog „Syria in Crisis“ anmerkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat