Chinesischer Forscher He Jiankui: Angeblich Embryo-Gene manipuliert
Der chinesische Genforscher will das Erbgut zweier Mädchen beeinflusst haben, um sie vor HIV zu schützen. Er zeigt kein Unrechtsbewusstsein.
Ja, er empfinde Reue. Jedoch nicht über das Genexperiment an Menschen, sondern lediglich über den Ablauf, wie er es kundgetan hat. „Zuerst muss ich mich entschuldigen“, sagte He Jiankui, der chinesische Genforscher, der nach eigenen Angaben das Genom zweier Mädchen manipuliert und damit Anfang der Woche einen internationalen Aufschrei ausgelöst hat. Er hätte sein Experiment zuerst unter Fachexperten vorstellen sollen.
Auf das Experiment an sich sei er jedoch „wirklich stolz“. Die Zwillinge Lulu und Nana seien gesund, die Eltern glücklich. Und mehr noch: Er verkündete eine zweite Schwangerschaft mit einem genmanipulierten Embryo. Sie befinde sich allerdings noch „in einem sehr frühen Stadium“.
Am Mittwoch stellte sich der chinesische Wissenschaftler auf dem Internationalen Genetiker-Kongress in Hongkong der Öffentlichkeit. He hat nach eigenen Angaben das Erbgut der Zwillinge so verändert, dass die beiden Mädchen vor HIV geschützt seien. Die Väter aller sieben an dem Experiment beteiligten Paare sind HIV-positiv. Eine unabhängige Bestätigung des angeblichen medizinischen Durchbruchs gibt es allerdings nicht. „Am stolzesten“ sei He darauf, dass er dem Vater der Zwillinge den Wunsch nach eigenen Kindern erfüllt habe.
Dass er mit seinem Experiment die Gemüter erregen würde, dürfte dem 34-jährigen Wissenschaftler bewusst gewesen sein. Offenbar hat er jedoch nicht damit gerechnet, gar keine Unterstützung zu erhalten – nicht einmal von seinen chinesischen Kollegen.
Er ist im „Tausend-Talente“-Förderprogramm
Im Gegenteil: 120 chinesische Wissenschaftler bezeichneten in einem Schreiben Hes Arbeit als „Wahnsinn“, der Chinas Ruf in der Welt sehr schade. Chinas Nationale Gesundheitskommission kündigte eine „minutiöse Untersuchung“ an. Das Experiment, sollte es wirklich stattgefunden haben, sei nach chinesischem Recht verboten, wird der chinesische Vizewissenschaftsminister in den Staatsmedien zitiert. Und auch Hes Uni in Shenzhen distanzierte sich von ihm. Sein Vorgehen stelle eine „ernsthafte Verletzung akademischer Ethik“ dar.
So rigoros die chinesischen Behörden eigentlich gegen Gesetzesverstöße vorgehen – in der Stammzellenforschung ist China bekannt dafür, es mit den Bestimmungen nicht so genau zu nehmen. Das Land strebt die weltweite Führungsrolle in der Genforschung an. Wissenschaftler wie He werden mit hohen Gehältern und „idealen Forschungsbedingungen“ gezielt ins Land zurückgelockt.
He stammt aus einem kleinen Dorf in der südchinesischen Provinz Hunan, promoviert hat er aber an der renommierten US-Universität Rice. Später wechselte er an die Stanford-Universität. Die chinesische Führung wählte ihn für ihr „Tausend-Talente“-Förderprogramm aus. Zudem bekam er Unterstützung für die Gründung seiner eigenen Biotech-Firma. Ob ihm in China nun wirklich eine Strafe droht? Angst war ihm auf dem Kongress in Hongkong zumindest nicht anzumerken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos