piwik no script img

Chinas WirtschaftDer Kampf um die Industrie 4.0

China will von der Werkbank der Welt zur globalen Ideenschmiede aufsteigen. Die Übernahme der deutschen Firma Kuka könnte helfen.

Das Reich der Mitte will innerhalb der Globalökonomie demnächst mit dem Kopf nach oben Foto: dpa

Peking taz | Einfallsreich wirkt die Produktlinie des chinesischen Hausgeräteherstellers Midea nicht: Kühlschränke, Reiskocher, Klimaanlagen – technisch gelten die Geräte zwar als solide. Doch die Ausführung wirkt wenig kreativ. Im Ausland hat das Unternehmen aus der südchinesischen Stadt Foshan bislang vor allem Discountmärkte beliefert.

Nun bringt sich Midea mit weltweiten Zukäufen ins Gespräch. Erst vor Kurzem hat das Unternehmen die Sparte für Haushaltsgeräte des angeschlagenen japanischen Traditionskonzerns Toshiba gekauft. Nun will es seinen Anteil an dem deutschen Roboterbauer Kuka von 13,5 auf über 30 Prozent aufstocken. Sollten die Aktionäre zustimmen, wäre es mit 4,5 Milliarden Euro die größte Übernahme eines chinesischen Unternehmens in Deutschland. „Wir müssen in jedem wichtigen Markt vertreten sein“, begründet Midea-Chef Paul Fang die geplante Übernahme.

Eine Strategie, der nicht nur Midea, sondern viele Unternehmen aus der Volksrepublik folgen. Vor zwei Jahren hatte die chinesische Regierung dazu aufgerufen, Übernahmen weltweit Marktanteile zu sichern. Unter chinesischen Unternehmen ist seitdem ein wahrer Kaufrausch ausgebrochen.

Anfang Februar war es das Übernahmeangebot des Schweizer Chemieriesen Syngenta durch ChemChina. Ein chinesisches Unternehmen hat den Halbleiterausrüster Aixtron aus Herzogenrath im Blick. Der Fußballclub Inter Mailand wird von einem chinesischen Einzelhandelskonzern übernommen.

China soll zur globalen Ideenschmiede aufsteigen

Am Montag gab die rheinland-pfälzische Landesregierung bekannt, dass der chinesische Investor Shanghai Yiqian Trading den verlustreichen Flughafen Frankfurt/Hahn kaufen wird. Es handelt sich zwar nur um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Doch der Trend ist eindeutig: Von einer „neuen Ära des chinesischen Kapitals“ sprechen die Chinaforscher des unabhängigen Forschungsinstituts Merics in Berlin.

Den Chinesen geht es keineswegs nur um mehr Marktmacht. „Industrie 4.0“ und „Made in China 2025“ heißen die Parolen, die die kommunistische Führung bei jeder Gelegenheit einheimischen Unternehmen nahelegt. Das Ziel: China soll nicht länger als Werkbank der Welt dienen, sondern zu einer globalen Ideenschmiede aufsteigen. Mit „Industrie 4.0“, einer Strategie, die die Chinesen von den Deutschen übernommen haben, will sie dieses Ziel erreichen. Dafür wird auch westliches Wissen benötigt. Unternehmen wie Kuka passen da ins Konzept.

Die Digitalisierung der Maschinen

In Deutschland wächst die Angst vor der Finanzkraft aus Fernost. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnt vor der chinesischen Übernahme von Kuka. Dabei ist aus anderen deutschen Ministerien zu vernehmen, dass sie hinter dieser Entwicklung für die deutsche Industrie durchaus Chancen sehen.

Mit Industrie 4.0 wird auch in Deutschland eine neue industrielle Revolution verbunden. Nach der Erfindung der Dampfmaschine, der Fließbandarbeit und der automatischen Massenproduktion folgt nun mit der sogenannten vierten industriellen Revolution die Verzahnung der digitalen Vernetzung mit der Fertigungsindustrie, die auf Mausklick auch die Anfertigung von Unikaten ermöglichen soll.

Was die Digitalisierung der Maschinen betrifft, sind die Deutschen mit ihrer Ingenieurskunst weltweit führend. Bei der Entwicklung der Industrie-Software dominieren jedoch die USA. Wer das Rennen macht, entscheide sich jedoch nicht so sehr in den gesättigten Industrieländern, ist sich ein deutscher Ministeriumsvertreter sicher. Sondern dort, wo auch künftig weltweit am meisten produziert wird. Und das sei China.

So sieht es auch Kukas Firmenchef Till Reuter. „China ist entscheidend, weil es bereits heute der größte Robotermarkt ist“, sagte er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Sein Ziel sei, Kuka in China zur Nummer eins der Branche zu machen. Was er eigentlich meint: den Aufstieg zur weltweiten Nummer eins.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das dürfte den Chinesen nur scher gelingen, hauptsächlich aus kulturellen Gründen.

     

    In einem Land in dem Konformismus eine so große Rolle spielt wie in China ist es mit der Kreativität oft nicht weit her. Chinesen sind auch in Deutschland als gute, fleißige Arbeitnehmer bekannt aber in Führungs- oder Entwicklerpositionen sieht man sie deshalb selten.

     

    Industrie 4.0 ist in der Tat eine ziemliche Luftnummer, zumindest wenn man sich ansieht was es dazu konkretes gibt. Bisher eben nicht mehr als waage Handlungsempfehlungen. In der Ingenieurswelt wird der Begriff aber durchaus teilweise aufgegriffen und als Buzzword für alles benutzt was mit exessiver Datenerfassung in der Automatisierungstechnik zu tun hat.

     

    Diese ganze Entwicklung könnte schon viel weiter sein, wenn es in dem Bereich ordentliche Standards gäbe die offen sind und an die sich gehalten wird. Leider ist hier noch viel zu viel properitär gelöst und frickelig ist es meist auch bis in die letzte Windung.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @33523 (Profil gelöscht):

      "In einem Land in dem Konformismus eine so große Rolle spielt wie in China ist es mit der Kreativität oft nicht weit her."

       

      Das betrifft die meisten ostasiatischen Gesellschaften, die letztendlich auf der chinesischen Kultur fußen.

       

      BTW, die Chinesen, die "führungspositionstauglich" sind, die kommen gar nicht hierher:

      http://www.nanjingmarketinggroup.com/userfiles/Countries-Chinese-Students-Abroad.jpg

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @10236 (Profil gelöscht):

        Da haben Sie recht. Ich habe die Chinesen nur explizit genannt, weil es in dem Artikel um China ging.

         

        Ähnliches gilt auch für Indien. Ich kenne einige Software-Schmieden die bei eingewanderten Fachkräften mittlerweile hauptsächlich auf Personal aus dem ehemaligen Ostblock setzen. Da kann man insgesamt mehr Eigenständigkeit erwarten.

         

        Deutschland ist für viele Einwanderer nicht sonderlich sympatisch. Von denen die kommen sind nicht wenige wegen des im Verhältnis zum Heimatland sehr günstigen Studiums hier.

  • Woher dieses Muffensausen, dass eine chinesische Firma Kuka aufkauft? Wer auch immer da Angst hat in der deutschen Industrie, soll den Laden einfach selber kaufen.

     

    Aber warum benutzt die taz den Begriff "Industrie 4.0" so unkritisch. Das ist einfach nur ein Marketing-Begriff der Bundesregierung und mein de facto höchstens eine Evolution, weil:

    - den Mikroprozessor gibt es schon seit den 70ern und wird seitdem ständig weiterentwickelt

    - Automatisierungstechnik gibt es aber schon seit den 60ern etwa

    - individuelle Massenprodukte bietet v.a. die Automobilindustrie auch schon seit Jahren (sog. "Mass Customization") und

    - das Internet ist auch schon längst verbreitet für Privatleute und Industrie