Chinas Coronastrategie: Stillstand in Shanghai
Die chinesischen Lockdowns bremsen die Weltwirtschaft enorm. Peking wird wohl dennoch bei der Null-Covid-Politik bleiben.
Verwundern sollte die Ausnahmesituation jedoch nicht. Denn seit Ende März steht bereits Chinas wichtigste Wirtschaftsmetropole de facto still. Die meisten der über 25 Millionen Einwohner sind in ihre Wohnungen eingesperrt, die Geschäfte geschlossen, die Straßen gespenstisch leer. Auch die Produktion in den meisten Werken liegt brach – es sei denn, die Unternehmen können den rigiden Maßnahmen entsprechen. Diese sehen unter anderem vor, dass die Fabrikarbeiter über Wochen hinweg die Unternehmensräumlichkeit nicht mehr verlassen dürfen, auch nicht zum Schlafen.
Zumindest der Hafen, das haben die Behörden stets mit großem Stolz betont, würde unter keinen Umständen stillgelegt. Schließlich ist Shanghai der weltweit größte Umschlagplatz für Waren, allein im letzten Jahr wurden hier über 47 Millionen Container entladen. Auch für die europäische Wirtschaft ist er von immenser Bedeutung. Beobachter gehen aber davon aus, dass sämtliche Terminals auf maximal 25-prozentiger Auslastung laufen.
Insbesondere von internationalen Unternehmen ist deutliche Kritik zu vernehmen. Schon Anfang April gaben die Hälfte aller Unternehmen in einer Umfrage der deutschen Handelskammer an, dass ihre Logistikkette vollständig unterbrochen oder schwerwiegend beschädigt sei – mittlerweile dürfte der Wert noch höher liegen.
Keine guten Nachrichten für Europa
Die Regierung hat das Problem erkannt – und am Montag unter anderem beschlossen, Logistikfirmen mehr Kredite und finanzielle Hilfen zu gewährleisten. Am Wochenende hat die Lokalregierung ebenfalls eine Richtlinie herausgegeben, die es bestimmten Schlüsselbranchen ermöglichen soll, ihre Produktion trotz des Lockdowns weiter aufrechtzuerhalten – etwa in den Bereichen Automobile, Biomedizin und Halbleiter. Besonders Letztere sind seit Monaten bereits weltweit Mangelware, was Produktionsverzögerungen in etlichen Industrien nach sich gezogen hat. Der Lockdown in Shanghai wird die Lage nur mehr weiter verschärfen, da in der Wirtschaftsmetropole bis zu einem Viertel aller Halbleiter aus China hergestellt werden.
Den Kern des Problems wird die Regierung aber wohl nicht antasten: ihre No-Covid-Strategie. Zu tief ist der propagandistische Graben, den die chinesische Staatsführung in den letzten zwei Jahren gebuddelt hat. Immer wieder hieß es, dass die erfolgreiche Null-Covid-Politik der Beweis dafür sei, dass das chinesische System dem Westen überlegen ist.
Für Europa, immer stärker von der chinesischen Wirtschaft abhängig, sind das keine guten Neuigkeiten: Die Lockdowns werden im Reich der Mitte auf absehbare Zeit zum neuen Normalzustand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin