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China will Abtreibungen reduzierenGebären für das Volk

Mit einer Richtlinie will Peking dafür sorgen, dass Frauen seltener eine Schwangerschaft abbrechen. Das soll die sinkende Geburtenrate hochtreiben.

Propaganda-Plakat für die Ein-Kind-Politik in China aus dem Jahr 1974 Foto: Kharbine-Tapabor/imago

Peking taz | Es ist ein nüchterner Halbsatz in einem 50.000-Zeichen-Dokument, der in feministischen Kreisen für Aufregung sorgt. In einer neuen Richtlinie von Chinas Staatsrat heißt es, „medizinisch unnötige“ Abtreibungen sollen innerhalb der nächsten Dekade reduziert werden. Weder definiert der Staatsrat, was medizinisch notwendige Abtreibungen ausmacht, noch wie stark sie reduziert werden sollen. Doch werten einige Chinesinnen die Ankündigung als Eingriff in ihre Entscheidungsgewalt über ihren Körper.

„Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht Chinas Propaganda, ‚hochwertige‘ Han-Chinesinnen in die traditionelle Rolle von Ehefrauen und zu Hause bleibenden Müttern zu drängen, um ‚hochwertige‘ Babys zum Wohl der Nation zu produzieren“, twittert Leta Hong Fincher, die mehrere Bücher über Chinas feministische Bewegungen geschrieben hat.

Die Kommunistische Partei (KP) fasst ihre Bevölkerungsplanung viel ganzheitlicher auf, als es in anderen Staaten der Fall ist. So schreiben die KP-Bürokraten in Fünfjahresplänen, dass man die „Bevölkerungsqualität“ verbessern möchte. So soll der Anteil der Han-ChinesInnen im muslimisch geprägten Xinjiang erhöht werden.

Die Staatsführung mischt sich seit Jahrzehnten in private Angelegenheiten der Familienplanung ein. 1980 verordnete Peking eine Ein-Kind-Politik, bei der staatliche Institutionen offiziell illegale Zwangsabtreibungen durchführten und massives Leid in Millionen Familien brachten. Das sollte das Bevölkerungswachstum drosseln.

Mutter am Herd als Idealbild

Heute hat China das umgekehrte Problem: Die Bevölkerung wird bald schrumpfen, rapide altern und damit den wirtschaftlichen Aufstieg bedrohen. Also hat die Staatsführung dieses Jahr eine Drei-Kinder-Politik eingeführt. Die neue Freiheit wird aber kaum genutzt, da die junge Generation wegen sehr hoher Kosten für Wohnen und Bildung meist nur ein Kind haben möchte.

Die Staatsführung steuert mit ihrer Propaganda gegen den Zeitgeist. Während feministische und LGBTQ-freundliche Online-Gruppen zensiert werden, werben Staatsmedien für das traditionelle Bild der Frau als Mutter am Herd.

Die neue Abtreibungsregelung taugt aber nicht zum Skandal, solange die Details unklar sind. Denn die Richtlinien betonen auch, dass Frauen der Zugang zu Verhütungsmitteln vereinfacht, Sexualbildung verbessert und geschlechtsspezifische Diskriminierung bekämpft werden soll. Doch sollte Achtsamkeit geboten sein, wenn sich der Staat verstärkt in das Privatleben einmischt. Dies hat schon oft zu menschlichen Tragödien geführt.

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11 Kommentare

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  • Vor ca. 2½ Jahren brachte die TAZ einen Beitrag unter dem Titel „Wir müssen weniger werden“. Darin wurde Verena Brunschweigers These zitiert:



    „Kinder schaden der Umwelt, mit jedem Kind steigen die CO2-Emissionen, und zwar um 58,6 Tonnen. Deshalb sollte man lieber auf Nachwuchs verzichten und „kinderfrei“ leben“. taz.de/Kinderfrei-...t-Aerger/!5594001/



    Frau Brunschweiger hätte damals durchaus auf das Beispiel der „Ein-Kind-Politik“ der chinesischen Kommunisten verweisen können. Doch diese mussten inzwischen einsehen, dass diese Politik mehr Nachteile als Vorteile bringt und verfallen sozusagen ins Gegenteil mit ihrer neuen „Drei-Kinder-Politik“



    Mich würde mal interessieren, ob das Frau Brunschweiger zum Nachdenken gebracht hat. Desgl. ihre offenbar vielen Fans, die sich in ihren Kommentaren zu dem erwähnten Beitrag begeistert geäußert hatten!

    • @Pfanni:

      Vielleicht hat die Chinesische Führung auch ganz andere Ziele und Interessen als Frau Brunschweiger?

      Der Planet kann vermutlich auch noch ein, zwei Milliarden mehr von uns ertragen, zumindest ein paar Jahre lang. Aber dann müssen wir auf diverse andere Spezies verzichten und unserer eigenen geht es auch an den Kragen. Das ist eventuell nicht der Fokus der chinesischen Führung.

      "Wir müssen weniger werden" - diesen Satz ergänze ich um "und zwar deutlich und bitte bald."

  • China ist doch schon heute nicht in der Lage seine Bürger zu ernähren.

    nur 11% der Landesfläche eignen sich für Landwirtschaft... und seit ich die Zahl gelesen habe wird diese durch Versalzung, massiver Überdüngung und Verschmutzung noch weiter abgenommen haben.

    Schon vor 10 Jahren habe ich gelesen das von den 4 großen Flüssen 3 nicht mehr durchgängig vom Himalaja bis zum Meer fließen.



    Klar die Besetzung und Ausbeutung/Zerstörung Tibets (Stauwehre ohne Ende) lindert das ne Weile, aber nicht für immer.

  • Der verordnete Kurswechsel verbessert jedoch nicht das Los der während der Phase der Ein-Kind-Politik Nachgeborenen. Diese heimlich und illegal geborenen sind in keinen staatlichen Unterlagen vorhanden und können somit keine Rechte gegenüber dem Staat geltend machen (z. B. Krankenversicherung und Rente). Da es sie „nicht gibt“, können sie auch keinen Beruf legal ausüben, sondern sind gezwungen, illegaler Beschäftigung unter schlechtesten Bedingungen nachzugehen.



    Ich habe nicht gehört, dass diese Menschen nachträglich „legalisiert“ werden sollen. Denn damit würden die chinesischen Kommunisten eingestehen, dass die „Ein-Kind-Politik“ ein riesiger Fehler war. Und das wäre wohl zu viel von ihnen verlangt!

  • Dieser Planet braucht insgesamt weniger Menschen - oder alternativ weniger Wälder, Mangroven, Bären, Orang-Utans, Elefanten, Koalas usw. Als ich geboren wurde gab es drei oder dreieinhalb Milliarden Menschen. Allein in meiner Lebensspanne haben wir uns verdoppelt. Der Planet ist aber nicht größer geworden.

    Kinder zu haben oder keine ist eine persönliche Entscheidung, die niemand bewerten sollte und die den Staat nichts angeht. Aber wenn sich möglichste viele Menschen dazu entscheiden, keine oder wenige Kinder in die Welt zu setzen, wäre das gut für alle, vor allem für die Zukunft der Kinder.

    Warum nicht Kinderfreiheit mit staatlichen Prämien belohnen? Immerhin sorgen Menschen ohne Kinder dafür, daß es genug Kitaplätze, nicht so volle Schulklassen und freie Studienplätze gibt. Kinderlose haben gerade in der Pandemie Solidartität gezeigt und die Arbeit übernommen, die Eltern nicht machen konnten als die Kitas zu waren. Andererseits brauchen Kinderlose im Alter vielleicht etwas mehr Geld, da sie nicht die Unterstützung der Kinder haben. Eine "Kinderfreiheitsprämie" liegt also nahe!

  • Werden diese rassistischen Kommunisten nicht mehr in Marx, Engels, Mathematik und Statistik unterrichtet? Was haben die sich denn gedacht, als sie in den 80ern die Ein-Kind-Politik einführten?

    • @Ber.lin.er:

      Das sind keine Kommunisten sondern "Machthaber".

      • @Sonntagssegler:

        Heißt deren Partei nicht Kommunistische Partei China? Was sind denn sonst Kommunisten, wenn nicht Lenin, Stalin, Pol Pot, Mao ...?

  • Ein 50.000-Zeichen-Dokument, also ca 50-60 Seiten? Ok, 50.000 hört sich gewaltiger an als 50.

    • @Ber.lin.er:

      Man müsste zur Bewertung auch noch wissen ob es chinesische Schriftzeichen waren... ;)

      • @Schorsch:

        Davon bin ich ausgegangen.