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China und der Krieg in der UkraineÜbersetzer gegen Fake News

Peking stellt sich offiziell hinter Wladimir Putin. Die „Große Übersetzungsbewegung“ chinesischer Expats versucht, der Propaganda entgegenzuwirken.

Chinas Pendant zu WhatApp: WeChat Foto: Mark Schiefelbein/ap

I n einem autoritären System lebt es sich eigentlich ganz bequem: Die Propaganda schreibt vor, was sein muss. Wenn wütend, dann alle, das ganze Volk. Die Zensur legt fest, was nicht sein darf – für alle, keiner darf dem Vaterland schaden. Dazwischen passt kein Blatt Papier. Wer dazwischenfunkt, ist Verräter. Nun funken sie dennoch kräftig dazwischen. Die „Verräter“ haben einen Namen: die Große Übersetzungsbewegung.

Das geht so: Zahlreiche Chinesen im Ausland, darunter viele, die aus Hongkong geflohen sind, übersetzen ehrenamtlich Texte aus den chinesischen sozialen Medien zum Krieg in der Ukraine und posten sie in allen möglichen Sprachen auf Twitter. Akribisch gehen sie vor und fügen ihren Übersetzungen immer einen Screenshot des zitierten Textes bei.

Weil das politische Peking das politische Moskau unterstützt, müssen alle, die in den sozialen Medien den Volkswillen verkörpern, den russischen Siegeszug feiern. So heißt es in China: „Wenn Russland die Faschisten in der Ukraine besiegt, sind wir, Singles in China, bereit, Blondinen, die da heimatlos werden, zu uns zu nehmen. Die Ukraine ist so berühmt für ihre Blondinen!“

Doch das passt so nicht ganz, wie die Parteizeitung People’s Daily konstatiert, denn das Ausland findet chinesische Männer unverschämt vulgär. Zuträglich ist dies dem Vaterland nicht. Dank der Großen Übersetzungsbewegung greift bald die Zensur ein und reinigt das heimische soziale Netz von den Vulgären. Alsbald erscheinen auf Twitter übersetzte Postings wie diese: „In Mariupol kapitulieren die letzten Faschisten vor der triumphalen russischen Armee.“ Belegt mit Fotos.

Bild: privat
Shi Ming

ist 1957 in Peking geboren, lebt seit 1989 in Deutschland und arbeitet dort als freier Autor. In seinen Texten setzt er sich mit dem politischen Geschehen und der gesellschaftlichen Entwicklung in seiner Heimat auseinander.

Propagandistischer Balanceakt

Nach vier-, fünfmaliger Wiederholung regt sich, wiederum dank Übersetzungen im Ausland, in China selbst der Zweifel: „Kann einer viermal hintereinander kapitulieren?“, fragen sich so manche, und das fragende Posting findet umgehend den Zugang zu Twitter, das in China zwar verboten ist, mit VPN aber genutzt wird. Bald meldet sich die EU zu Wort: „China“, befindet Brüssel, „hilft nachweislich Russland, mit Fake News den Aggressionskrieg zu gewinnen.“

Das, so stellen die Zensoren in China fest, könnte bald westliche Sanktionen auch gegen China nach sich ziehen. Und Wirtschaftssanktionen würden China viel härter treffen als Russland. Eindeutig das Vaterland schädigend. Sofort wird nachgebessert, etwa so: „Bitte um Bestätigung: Ein hochrangiger Nato-General versteckt sich in Mariupol. Die russische Armee versucht, ihn der gerechten Strafe zuzuführen.“ Wieder mit Foto belegt.

Bis der in der Falle Sitzende in Washington auftaucht und für CNN die katastrophale Lage der russischen Armee analysiert. Auch dies wird kommentarlos zurück ins Chinesische übersetzt und auf WeChat (dem Pendant zu Whatsapp) gepostet. Gruppen um Gruppen fischen Chinas Zensoren aus den sozialen Medien aus Sorge ums Vaterland heraus. Problematisch auch: Es sieht gar nicht so danach aus, dass Moskau am Ende siegt. Das einhellige Volk wird immer dünner besetzt.

Wenige Tage nachdem die Fake News vom Nato-General aufgeflogen sind, schreibt jemand: „Aus chinesischem Staatsinteresse bin ich für Putins Feldzug. Aber als Mensch finde ich die Ukrainer sympathischer.“ Ob das so im Sinne der Propaganda ist? Unterdessen wird ein geheimes Dokument der Propagandaabteilung übersetzt und gepostet, da heißt es: „Nach Möglichkeit soll alles zugunsten Russland berichtet werden, nichts zugunsten der Ukraine.“

Dank der Großen Übersetzungsbewegung lebt es sich in China doch nicht mehr bequem, nicht einmal als Propagandist oder Zensor. Frei nach Kurt Tucholsky, der einmal schrieb: „Hier ist ein Stuhl, da ist ein Stuhl, wir – sitzen immer dazwischen.“

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "...westliche Sanktionen auch gegen China..."



    Zuvörderst sollten wir Solarmodule aus China boykottieren. Dann wird das auch richtig was mit der Energiewende...

    • @sollndas:

      ganz deiner Meinung

  • Putin ist auf dem suizidalen Weg. Auch Chinas KP ist ( nicht nur ) mit der COVID Strategie auf demselben Weg. Das ist das Schicksal von Autokratien.

  • "könnte bald westliche Sanktionen auch gegen China nach sich ziehen."

    Klar, sicher...



    Seien wir mal realistisch. Der Maschinenbau macht inzw. 30-40% seines Umsatzes in China. Automobiler gehen gegen 50%. Bei Chemie weis ich es nicht, aber da wir inzwischen alle Vorprodukte und viele dreckigen Prozesse geoutsourct haben wird auch da China viel Umsatz machen, da diese die Chemieerzeugnisse für diese Arbeiten benötigen.

    westliche Sanktionen auch gegen China können wir uns gar nicht leisten. Dagegen ist die Abhängigkeit von russischem Gas ein Witz! Die einzigen die Trottel die noch schlimmer dran sind, sind die USA: die haben alles was nicht Millitär ist inzw. ausgelagert. USA ist Chinas Kunde Nr1... und vom Volumen her ist Wallmart alleine das drittgrößte Land in der Handelsbilanz (ohne Wallmart im Länderränking sieht man die Abhängigkeit nicht)

  • 4G
    43985 (Profil gelöscht)

    " Wenn wütend, dann alle, das ganze Volk. Die Zensur legt fest, was nicht sein darf – für alle..."



    Gut das wir in einem Land leben, wo die Meinung jedes Einzelnen zählt und bei allen Themen alle Seiten gehört werden.

  • Die Unterstützung Chinas für Russlands Krieg gegen die Ukraine hat einen einfachen Grund: Weil man aus politischen Gründen aufeinander angewiesen ist.



    Wenn eines Tages (wie ich befürchte) die Ukraine besiegt ist, wird China das Taiwan-Projekt in Angriff nehmen und dann im Gegenzug die „freundschaftliche“ Hilfe Russlands erwarten!

    • @Pfanni:

      diese Befürchtung teile ich auch

    • @Pfanni:

      das wird schon sehr bald sein... Pu der Bär wird nicht jünger