China und der Corona-Virus: Von der Krise zur Heldengeschichte

Chinas Regierung zieht neues Selbstbewusstsein aus den gesunkenen Infektionszahlen. Die Propaganda läuft auf Hochtouren – und verfängt.

Hunderte leerer Betten in einem Containerkrankenhaus

Ab heute geschlossen: Notfallkrankenhaus in Wuhan Foto: Xiong Qi/XinHua

PEKING taz | Chinesische Drehbuchschreiber recherchieren seit einiger Zeit in Wuhan für eine Fernsehserie über den Virusausbruch. Unter dem Arbeitstitel „Zusammen“ soll die im Oktober ausgestrahlt werden, verkündete die staatliche „Global Times“ auf ihrem Twitter-Account am Sonntag.

Der Stoff würde in vielen Ländern wohl vor allem für eine messerscharfe Gesellschaftskritik dienen, schließlich hat die Regierung den Virus über Wochen vertuscht und verheimlicht. In der Volksrepublik dürfte „Zusammen“ jedoch eine reine Heldengeschichte werden. Sie basiert vor allem auf den seit Tagen massiv gesunkenen Neuinfektionen.

Am Sonntagmorgen vermeldeten die Gesundheitsbehörden lediglich 44 Ansteckungsfälle, 41 davon in der 1Elf-Millionen-Metropole Wuhan. Bei den restlichen drei Personen handelt es sich um sogenannte importierte Fälle aus dem Ausland. Auch wenn die offiziellen Zahlen Pekings mit Vorsicht zu genießen sind, kann die Entwicklung zweifelsohne als epidemiologische Erfolgsgeschichte betrachtet werden.

Den Preis dafür muss die Bevölkerung jedoch teuer bezahlen. Kein anderes Land hat derart strikte Quarantänemaß­nahmen getroffen, laut Schätzungen lebt die Hälfte der chinesischen Bevölkerung unter Einschränkungen.

Fieberkurve melden

Einer von ihnen ist der 53-jährige Italiener Gabriele Battagalia: Als der Peking-Korrespondent des Schweizer Rundfunks am 25. Februar seinen Rückflug aus Mailand antrat, wurde über Nacht das Gesetz eingeführt, sämtliche Ausländer aus Gebieten wie Südkorea, Iran und Italien für 14 Tage unter Quarantäne zu stellen. „Ich werfe den Behörden sicher keine Schuld vor, sie sind pragmatisch und auf das Problem fokussiert“, sagt Battagalia, der seit seiner Rückkehr die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen hat.

Zweimal täglich muss der Italiener seine Körpertemperatur per Smartphone-App an einen Regierungsbeamten weiterleiten. Die Lebensmittel lässt er sich ebenfalls per Smartphone liefern, seinen Alltag füllt er mit Kochen, Serien-Schauen und Telefonaten.

„China hat sein eigenes Modell, mit dem Virus umzugehen: Massenmobilisierung und das rasche Umsetzen von drakonischen Maßnahmen, wie etwa die Quarantäne einer gesamten Provinz“, sagt Bata­gallia. Es sei im Land üblich, dass individuelle Rechte zum Wohl des Kollektivs eingeschränkt würden. Dafür jedoch tragen in Chinas Hauptstadt nur mehr 112 Menschen das Virus in sich, in Shanghai sind es nur noch 25.

Seither haben Chinas Staatsmedien Oberwasser. Das gängige Narrativ lautet, dass die Volksrepublik genau das vollbracht hat, woran Südkorea, Italien, Iran oder auch die USA zu scheitern drohen: die Eindämmung von Covid-19.

Tote bei Hoteleinsturz

Auf den chinesischen sozialen Medien scheint der Tenor Anklang zu finden. Bei einem Artikel über den Virusausbruch in Italien schreibt ein Nutzer etwa auf „Weibo“: „Die Situation ist bereits extrem ernst und trotzdem wollen die Italiener keine Gesichtsmasken tragen. Ich denke, das Coronavirus hat bereits ihre Gehirne angegriffen“.

Ein anderer meint: „Wenn die Italiener nicht aus den Gegenmaßnahmen lernen, die China ergriffen hat, dann können sie nur mehr auf dem Tod warten.“

Doch es gibt auch schlechte Nachrichten aus China: Beim Einsturz eines zur Unterbringung möglicher Virusinfizierter genutzten Hotels in der Stadt Quanzhou sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. 23 Personen würden noch vermisst und 38 seien gerettet worden, teilte das Ministerium für Notfallmanagement am Sonntag mit.

In dem Hotel waren Menschen untergebracht gewesen, die aus Teilen Chinas eingetroffen waren, die stark vom Ausbruch des neuen Coronavirus betroffen waren. Die Angereisten sollten so isoliert werden.

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