China-Taiwan-Konflikt beim Breakdance: Politischer Tanz
Beim weltweit wichtigsten Breakdance-Wettbewerb fühlt sich China von Taiwan brüskiert. Vor der olympischen Premiere 2024 steigt die Sensibilität.
Im Dezember geriet im japanischen Okinawa der Sport an seine Grenzen. Bei der „Battle Of The Year“, so etwas wie der Weltmeisterschaft im Breakdance, verließ die chinesische Mannschaft plötzlich die Halle. Denn die Vertreter aus Taiwan hatten etwas getan, was sie in den Augen ihrer chinesischen Mitbewerber niemals hätten tun dürfen: Sie hatten ihre Nationalflagge geschwenkt.
Nach Auffassung des von Peking aus regierten Festlandchinas existiert Taiwan nicht als eigenständiger Staat, sondern gehört zum Territorium Chinas. Die Insel vor der chinesischen Südküste, auf der 24 Millionen Menschen leben, wird zwar eigenständig und demokratisch regiert, aus Peking aber kommt in den vergangenen Jahren regelmäßig die Ankündigung, man werde Taiwan mit dem Festland vereinen – notfalls unter Zwang. Immer wieder patrouillieren chinesische Kriegsschiffe vor der taiwanischen Küste, Flugzeuge dringen in den Luftraum ein.
Diese angespannte politische Lage macht sich auch im Sport bemerkbar. „Privat sind die B-Boys Freunde“, sagt Emma Chen, selbst Tänzerin und Promovierende an der National Taiwan Normal University in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan. „Die chinesischen Breaker wollten das auch nicht. Aber zwischen Freunden und Vaterland müssen sie sich für das Vaterland und Politik entscheiden.“ Emma Chen schreibt ihre Doktorarbeit über die Bedeutung des Breakdance außerhalb des Ursprungslandes USA. In Taiwan werde die einstige Straßenkultur gerade zum Politikum.
Denn bei der Battle of the Year, einem seit den 1990er Jahren bestehenden Turnier, schwenkten die Taiwaner jedes Jahr ihre Flagge. „Man weiß auch nicht, warum es ausgerechnet in diesem Jahr so ein Problem für China wurde. Aber die Sache mit Taiwan und China ist hier ein großes Thema“, sagt Chen. „Die Regierung Taiwans nutzt die Sache auch populistisch, so kann sie die Spannungen mit China für ihre Politik nutzen. Medien spitzen das in ihren Berichten noch zu.“
Sport als Ausweg aus der Isolation
Schließlich fühlt sich Taiwan von China bedroht. Im Jahr 1949 hatten die chinesischen Nationalisten um ihren Anführer Chiang Kai-shek den chinesischen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten verloren und flohen auf die Insel Taiwan, die sie offiziell „Republik China“ nannten. International galt zunächst Taiwan als anerkannte Vertreterin Chinas – hatte den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat inne, vertrat China bei Olympischen Spielen.
Als aber die USA ab 1972 begannen, statt Taiwan fortan Festlandchina als das „wahre China“ anzuerkennen, sah sich Taiwan international isoliert. Sport galt dem zunächst diktatorisch regierten Taiwan als Ausweg. Ab den späten 1970er Jahren, als dies anderswo weitgehend vernachlässigt wurde, veranstaltete die Insel viermal ein Fußballturnier für Frauen, lud auch Deutschland und Frankreich ein. Zuletzt sorgen Spieler im E-Sport für Aufsehen, gelten als Konkurrenten der oft führenden Südkoreaner. Bei Olympia ist Taiwan nicht im Ansatz so erfolgreich wie das größere Festlandchina, holt aber stets Medaillen. Andererseits: Wegen Widerstand aus Peking kann Taiwan international weder als „Taiwan“ noch als „Republik China“ antreten. Seit 1984 lautet der Olympianame „Chinese Taipei“.
Die aktuelle Debatte ist brisant, weil Breakdance bei den nächsten Sommerspielen in Paris 2024 zur olympischen Disziplin wird. Huang Chih-hsiung, Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees, fordert: „Die Regierung muss unbedingt mehr Mittel bereitstellen für beliebte Sportarten, die bisher zu wenig Geld haben, bei denen aber Potenzial bei Olympia besteht.“
Im vergangenen Jahr gewann ein taiwanisches Team ein internationales Turnier in Frankreich. Bei den Youth Olympic Games 2018 wie auch bei der „Battle Of The Year“ im Dezember scheiterte Taiwan kurz vorm Halbfinale. „Sie sind gut, sehr gut“, sagt Emma Chen. „Ob sie eine Medaille gewinnen, wird auch vom Bewertungssystem abhängen. Das ist noch nicht veröffentlicht worden.“ Chen betont, dass viele B-Boys und Girls den Gedanken, von Juroren bewertet zu werden, eigentlich ablehnen, weil Breakdance ursprünglich kein Sport sei, der sich in Punkten messen lasse. Auch hätten viele der Taiwaner privat gute Beziehungen zu den Chinesinnen. Aber jetzt, wo das Ganze olympisch wird, ist es eben auch politisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern