China-Restaurant-Leiter soll ausreisen: Abschiebung und kalte Küche drohen
Aufgrund eines Formfehlers wird dem Betriebsleiter eines Lübecker Restaurants die Aufenthaltserlaubnis entzogen. Der Vorgang gefährdet die Existenz des Lokals.
Lübecks Verwaltung fordert von dem Betriebsleiter des namhaftesten Chinarestaurants der Stadt die Ausreise nach China. Dasong Yin kam vor acht Jahren aus seiner Heimat, um im „Shanghai“ zu kochen. Vor vier Jahren wechselte er in seine jetzige Position. Der 50-jährige kümmert sich um die Arbeitsabläufe im Restaurant, um die Bestellung von Enten und Schweinebacken. Er kontrolliert die angekommene Ware auf Qualität, kocht und lernt die Hilfskräfte in der Küche an.
Nach Aussagen seines Anwaltes Malte Barsch musste die Aufenthaltserlaubnis des Mannes im Frühjahr 2022 bei der Lübecker Ausländerbehörde verlängert werden. Doch da sei die Buchhalterin des Restaurants an Corona erkrankt gewesen. Ihr Vertreter hätte Yin für den Behördengang den falschen Arbeitsvertrag ausgehändigt, den alten als Spezialitätenkoch und nicht den neuen als Restaurantleiter.
Dieses Versehen wurde Dasong Yin zum Verhängnis. Denn für die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis beider Berufsgruppen gelten unterschiedliche Voraussetzungen. Die von der Ausländerbehörde hinzugezogene Bundesagentur für Arbeit verweigerte Yin die Arbeitserlaubnis als Koch. Zu den Gründen will sich die Bundesagentur aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äußern.
Damit, so Stadtsprecherin Nicole Dorel, konnte die Lübecker Ausländerbehörde nur noch einen ablehnenden Bescheid zum Aufenthaltsrecht erlassen. Sie forderte Yin auf, bis Anfang August aus Deutschland auszureisen. Derzeit läuft dagegen eine Beschwerde vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht, das dem Widerspruch zunächst nur wenig Aussicht auf Erfolg bescheinigte. Das Gericht hätte, so Anwalt Barsch, wegen des irrtümlich vorgelegten Arbeitsvertrages Zweifel, ob der nur wenig Deutsch sprechende Mann tatsächlich als Betriebsleiter tätig sei. Bis das Gericht entscheidet, darf der Mann zwar in Deutschland bleiben, aber nicht arbeiten.
Für das traditionsreiche Chinarestaurant ist schon das eine Katastrophe. „Seit Corona haben wir nur noch zwei ausgebildete Köche plus Hilfspersonal“, sagt Zheng Zong Yin, der Sohn des Inhabers gegenüber der taz. Das Restaurant hat darum nur noch fünf statt sieben Tage pro Woche geöffnet. Wochentags beginne der Betrieb erst am Abend und eine Ebene des Restaurants würde nicht mehr betrieben werden. Inländisches Küchenpersonal sei seit Corona in andere Berufe gewandert, neue Fachkräfte seien nicht in Sicht, und auch aus China käme niemand mehr.
„Als Ergebnis der dortigen Ein-Kind-Politik will keine Familie den einzigen Sohn zur Arbeit ins Ausland schicken, “ sagt Zheng Zong Yin. Seit Dasong Yin nicht mehr arbeiten darf, müsse der 75-jährige Vater der Inhaberfamilie den Betriebsleiter ersetzen, so Zheng Zong Yin. „Das schafft er aber nicht mehr jeden Tag und wir entscheiden täglich neu, ob wir überhaupt öffnen. Feiern nehmen wir nicht mehr an.“ Sollte der Betriebsleiter nicht wieder arbeiten dürfen, sei das Restaurant, das seit 1966 besteht, in der Existenz bedroht.
Anwalt Malte Barsch hofft auf einen positiven Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes. „In der Kommunikation zwischen Stadt und Bundesagentur für Arbeit ist einiges falsch gelaufen. Herr Yin hat die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als leitender Angestellter beantragt. Lübeck hat die Bundesagentur für Arbeit aber um die Zustimmung für die Beschäftigung als Koch gefragt.“ Die sei dann folgerichtig abgelehnt worden, doch das bezog sich auf den falschen Antrag. Sein Mandant hätte zudem über Jahre in die Sozialversicherung eingezahlt, „deshalb hätte die Stadt ohne Beteiligung der Arbeitsagentur entscheiden dürfen“, so Barsch.
Marcel Beutel von der Grünen Jugend Schleswig-Holstein fordert in einer Petition ein Bleiberecht für den Chinesen. „Es kann nicht sein, dass eine Person, die Teil unserer Gesellschaft ist und seit acht Jahren ihre Expertise einbringt, jetzt rausgeworfen wird“, so Beutel. Damit drohe einem traditionsreichen Restaurant, das von Anwohnern und Touristen geschätzt wird, das Aus. Rund 40.000 Menschen haben die Petition unterzeichnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül