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Chicagos neue BürgermeisterinSchwarze lesbische Frau an der Macht

Lori Lightfoot ist die neue Bürgermeisterin Chicagos. Sie ist Schwarz und lesbisch – eine doppelte Premiere für die amerikanische Stadt.

Die neue Bürgermeisterin von Chicago: Lori Lightfoot Foto: reuters

Berlin taz | Dass am Dienstag zum ersten Mal in der Geschichte Chicagos eine Schwarze Frau zur Bürgermeisterin gewählt werden würde, war schon zuvor klar: Denn der dann siegreichen Lori Lightfoot stand die ebenfalls Schwarze Toni Preckwinkle gegenüber. Lightfoot setzt noch ein weiteres „first“ dazu: Sie ist auch die erste offen lesbisch lebende Frau, die ab dem 20. Mai die drittgrößte Stadt der USA regieren wird.

Das war es allerdings nicht, was der 56-Jährigen schließlich zum klaren Sieg verhalf. Nach der Ankündigung des langjährigen Bürgermeisters und ehemaligen Obama-Stabschefs Rahm Emanuel, nicht erneut anzutreten, kämpften ganze 14 Kandidat*innen in den Vorwahlen um die Nachfolge. Lightfoot und Preckwinkle blieben übrig. Lightfoot, die ihre politischen Positionen selbst als „fortschrittlich“ beschreibt, galt dabei als Underdog. Aber genau das, dass sie nämlich nicht bereits viele Jahre in politischen Ämtern hinter sich hatte, gab schließlich den Ausschlag.

Lightfoot ist in Ohio geboren, studierte Politikwissenschaft und später Jura. Ein paar Jahre lang arbeitete sie in einer Gemeinschaftskanzlei, übernahm zu Beginn der 2000er-Jahre Posten in der Justiz in Chicago. So war sie einige Jahre dafür zuständig, die wegen rassistischer und gewalttätiger Übergriffe bekannte Polizei zu überwachen und Vorschläge zu ihrer Reform zu unterbreiten.

In US-Medienberichten wird der Wahlkampf als recht einzigartig beschrieben. Spielt in Chicago sonst die Hautfarbe und ethnische Zugehörigkeit eine große Rolle, bildeten sich diesmal vollkommen neue Allianzen der Anhänger*innen der beiden Demokratischen Kandidatinnen.

Auf Unterstützung von Trump braucht sie nicht zu hoffen

Den Ausschlag gab offenbar, dass es Lightfoot eher zugetraut wurde, die jahrzehntelange Verfilzung innerhalb der Stadtregierung aufzubrechen – etwas, was sie auch im Wahlkampf zum zentralen Thema erhob. Preckwinkle, die angesichts der massiven Haushaltsprobleme Chicagos gerade ihre Erfahrung in Stellung brachte, kam dagegen nicht an.

Lightfoot lieferte Vorschläge für neue Steuereinnahmen – etwa durch die Legalisierung und Besteuerung von Marihuana, wie es in anderen Bundesstaaten, allen voran Colorado, seit einigen Jahren erfolgreich praktiziert wird. Ein wirklich schlüssiges Konzept aber, wie die Finanzen der Stadt zu sanieren und die immer größeren Verdrängungseffekte bei städtischem Wohnraum zu beseitigen seien, hatte auch sie nicht zu bieten, meinen Kritiker*innen. Allerdings: Das hatte genau genommen niemand.

Auf große Unterstützung aus dem Weißen Haus darf Lightfoot nicht hoffen. Chicago gilt für Präsident Donald Trump schon seit Jahren eher als Beispiel für alles Schlechte und Verkommene in den USA, ja mithin als Zerrbild für jenes von Demokraten und Gewerkschaften heruntergewirtschaftete Amerika, das es „wieder groß“ zu machen gelte. Eineinhalb Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl setzt der Sieg Lightfoots auch ein Zeichen in Richtung Washington: Wie sich das aber auswirkt, wird von ihrem Erfolg abhängen.

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4 Kommentare

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  • "Schwarze lesbische Frau an der Macht" und schon wird automatisch alles besser?!?

    Bevor hier zu viele Vorschusslorbeeren verteilt werden, muss die Frau erst einmal liefern. Betrachtet man ihre Biografie, können diesbezüglich durchaus einige Zweifel aufkommen.

    Die im Artikel harmlos als "Gemeinschaftskanzlei" bezeichnete Unternehmung nennt sich Mayer Brown, ist eine international tätige Großkanzlei und mehrfach Gegenstand von Klagen wegen Betruges, Anstiftung zur Steuerhinterziehung, Verschwörung und Urkundenfälschung gewesen. Sie war dort Partnerin.



    Das (ausgerechnet ihr) der Posten zur Überwachung der Polizei wegen vielfacher rassistischer Übergriffe übertragen wurde, war damals nicht unumstritten. Schließlich war sie zuvor mehrfach als Strafverteidigerin angeklagter weißer Polizisten aufgetreten. Ob damit der Bock zum Gärtner gemacht wurde, lasse ich dahin gestellt - verbessert hat sich die Situation der Afroamerikaner durch die Einführung dieses Posten definitiv nicht. Die ganze Aktion wird von der Bürgerrechtsbewegung als Fehlschlag interpretiert.

    Also erst einmal abwarten. Die Presse sollte ihr etwas Zeit geben und sie dann nach ihren Taten bewerten, statt jetzt schon auf Wolken zu schweben.

  • Wurde das große Kotzen der weißen Herrenrasse irgendwo übertragen?

  • Jo, cooool! Super Sache: aufbrechen von alten Strukturen. Kann im Moment nur helfen, alle möglichen Entwicklungen laufen gegen die Wand und die alten Säcke ändern nichts.

    Was ist los diese Woche? Immer wieder positive Meldungen!? Da kann was nicht stimmen...

  • 9G
    93779 (Profil gelöscht)

    Möge Sie Erfolgt haben! Für mich ist die Wahl auch ein Indiz dafür, dass die USA in vielen belangen besser ist, als Ihr Ruf in Deutschland.