Chemieunfall vergiftet finnisches Wasser: Selbst für die Sauna zu giftig
Neun Tage nach einem Nickelgrubenunglück in Ost-Finnland warnen die Behörden vor verseuchtem Wasser. Genaue Messungen stehen noch aus.
STOCKHOLM taz | Neun Tage nachdem die ersten Liter schwermetallhaltiger Giftbrühe in die Umgebung sickerten, ist das Klärbecken der finnischen Nickelgrube Talvivaara nahezu leer gelaufen. Rund 800.000 Kubikmeter verseuchtes Wasser wurden teilweise in provisorischen, aber nicht abgedichteten Auffangbecken gesammelt, teilweise flossen sie gleich ungehindert in nahegelegene Bäche. Und immer noch sind nicht alle Lecks vollständig geschlossen.
Der finnische Naturschutzverband spricht von der schlimmsten Umweltkatastrophe Finnlands, Greenpeace vom weltweit schwersten Chemieunfall der letzten Jahre. Die Grube liegt auf einer Wasserscheide, die von einem Labyrinth von Bächen und Seen durchzogen ist, das wiederum mit ausgedehnten Fluss- und Seensystemen verbunden ist.
Die Behörden, die die Öffentlichkeit am Montag erstmals über die Folgen des Unglücks informierten, warnten die Anwohner davor, Wasser aus der Umgebung zu verwenden – es sei weder zum Trinken noch zur Zubereitung von Essen noch auch nur für den Aufguss in der Sauna geeignet.
Sorgen bereitet vor allem die hohe Nickelkonzentration im Wasser. 900 Kilogramm des für im Wasser lebende Organismen hochgiftigen Schwermetalls sind nach Süden geflossen, rund 220 Kilogramm nach Norden. Das staatliche Finnische Umweltinstitut rechnet damit, dass einzelne Seen mit bis zu 450 Mikrogramm pro Liter belastet werden – der EU-Grenzwert für Trinkwasser liegt bei 20 Mikrogramm.
Umweltorganisationen sprechen von Verharmlosung
Wenn sie direkten Kontakt mit dem Wasser vermeiden, bestehe keine Gefahr für Menschen, versuchen die Behörden zu beruhigen. Geschädigt werde ausschließlich die Natur. Umweltorganisationen werfen den Behörden vor zu verharmlosen, schließlich stünden genaue Messungen etwa zum Urangehalt noch aus. Auch eine mögliche Grundwassergefährdung werde sich erst in Wochen oder Monaten feststellen lassen.
Juho Mäkinen, Sachverständiger für Metallurgie am staatlichen Forschungszentrum VTT, kritisiert auch die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden. Die seit 2008 betriebene Grube hätte seiner Meinung nach mit der dortigen Technik nie genehmigt werden dürfen. In Talvivaara wird Nickel mit Hilfe mikrobieller Laugung gewonnen, wobei Abwasser entsteht, „dessen Reinigungsprozess nicht wirklich gelöst“ sei, so Mäkinen. Er bezweifle, dass man in Talvivaara „überhaupt gewusst hat, was man macht“.
Umweltorganisationen haben für Mittwoch zu einer Demonstration für die Stilllegung der Grube aufgerufen. Kari Heiskanen, Spezialist für Erzgewinnungsprozesse, geht allerdings davon aus, dass die giftigen Folgen der Produktion die Umgebung auch bei einer sofortigen Schließung noch mindestens zehn weitere Jahre belasten würden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten