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Chancengerechtigkeit an SchulenLehrer glauben an Klischees

Lehrer trauen Kindern mit Migrationshintergrund weniger zu. Das hat Auswirkungen auf deren Lernerfolge, so eine Studie der Humboldt-Uni.

Sagt definitiv nichts über die Intelligenz eines Kindes aus: das Kopftuch Foto: Daniel Bockwoldt

Lehrer haben liberalere Ansichten in Bezug auf Migration und Vielfalt als der Durchschnitt der Bevölkerung – gleichzeitig glauben knapp 40 Prozent, dass Muslime weniger Interesse an Bildung haben als Nichtmuslime. Das sagt zumindest eine dreiteilige Studie „Vielfalt im Klassenzimmer“, die Daten aus dem Bund, aus Berlin und Nordrhein-Westfalen ausgewertet hat. Das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität stellte die Ergebnisse am Donnerstag vor.

Das Klischee der vermeintlich bildungsunwilligen Muslime hat zudem sehr konkrete Folgen: Den Wissenschaftlern zufolge trauen Lehrkräfte türkeistämmigen Kindern weniger zu als Kindern ohne Migrationshintergrund, und zwar selbst dann, wenn sich die Leistungen der beiden Gruppen gar nicht unterscheiden.

Das hat, kaum überraschend, auch Auswirkungen auf den Lernerfolg der Kinder. Denn wenn Lehrer ihre Schüler überschätzen, sind die am Ende des ersten Grundschuljahres tatsächlich besser in Mathe und können besser lesen. Zwar seien diese Effekte relativ klein, schränkten die Wissenschaftler ein.

Trotzdem sei es wichtig, sich bewusst zu machen „dass Stereotype unser Denken und Handeln beeinflussen können, selbst wenn wir diese Vorannahmen nicht glauben“, sagte Petra Stanat, Erziehungswissenschaftlerin an der HU und eine der StudienleiterInnen. Im Klartext: Lehrer handeln im Klassenzimmer oft weniger gerecht, als sie von sich selbst glauben mögen.

Tatsächlich wurden die türkeistämmigen Kinder seltener aufgerufen, und der Lehrer widmete ihnen in der Stunde insgesamt weniger Aufmerksamkeit als den Kindern ohne Migrationshintergrund, hatten die Wissenschaftler per Videoaufnahmen in Klassenzimmern analysiert.

Lehrer denken liberaler

Die Wissenschaftler hatten außerdem in einer bundesweiten Umfrage nach Kriterien des „Deutschseins“ gefragt. Für Lehrer spielten dabei zum Beispiel die Herkunft und die Muttersprache weniger stark eine Rolle als für den Durchschnittsbürger. Das heiß diskutierte Kopftuch an Schulen bewerteten aber sowohl Lehrer als auch Nichtlehrer gleichermaßen kritisch: für 35 Prozent der Lehrer ist es ein Ausdruck von Fremdsein, im Bevölkerungsschnitt sind es 38 Prozent.

Die türkeistämmigen Kinder wurden im Unterricht seltener aufgerufen

Immerhin, man kann etwas für Chancengerechtigkeit tun, sagen Experten. Bei einem Experiment an elf Berliner Sekundarschulen bekamen Schüler mit und ohne Migrationshintergrund eine Schreibaufgabe. Sie sollten sich überlegen, was sie können, und darüber einen Aufsatz schreiben. Tatsächlich verhalf die Übung den Kindern mit Migrationshintergrund zu besseren Leistungen in Mathetests: Die Kinder türkischer oder arabischer Herkunft, die sich zuvor keine Gedanken über ihre eigenen Stärken gemacht hatten, bekamen weniger Punkte in Mathe.

Natürlich löse diese kleine Übung in Selbstbestätigung kein grundsätzliches Problem, sagen die Forscher. Entscheidend sei, die Lehrer besser für den Umgang mit den eigenen Stereotypen im Kopf zu sensibilisieren.

Wie schwer es ist, das System Schule ein bisschen gerechter zu gestalten, hatte kürzlich auch die Berlin-Studie im Auftrag der Senatsbildungsverwaltung gezeigt. Demnach hat die Zusammenlegung der Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur Integrierten Sekundarschule vor sieben Jahren nichts daran ändern können, dass Kinder mit Migrationshintergrund weniger oft den Sprung aufs Gymnasium schaffen und auch in Tests schlechter abschneiden.

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