Champions-League-Halbfinale: Satisfaktionsfähige Münchner
2:2 im Halbfinalhinspiel der Champions League gegen Real Madrid: Der FC Bayern schöpft neuen Mut, weil er sich auf Augenhöhe mit den Königlichen weiß.
Es war der letzte große Heimspielauftritt des FC Bayern München in dieser Saison. Das Hinspiel im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid stand an. Alle Münchner, die daran beteiligt waren, haben sich an diesem Dienstagabend noch einmal so richtig ins Zeug gelegt.
Die Spieler, weil es nur noch eine Chance gibt, aus der Saison, in der ein Klub namens Bayer Leverkusen dem FC Bayern doch tatsächlich die Meisterschaft abgenommen hat, doch noch etwas Großes zu machen, Thomas Tuchel, der Trainer, von dem man schon vor Monaten festgestellt hat, dass er nicht zum Klub passt und der dann doch so engagiert an der Linie gecoacht hat, wie man es selten gesehen hat.
Und die Fans, die schon bei der Ankunft des Mannschaftsbusses der Bayern an der Arena im Münchner Norden Spalier standen, was Bayernkapitän Manuel Neuer an das sogenannte „Finale dahoam“ von 2012 erinnert hat, in der die ganze bayerische Landeshauptstadt in Rot getaucht war.
Jenes Endspiel verloren überlegene Bayern seinerzeit gegen den FC Chelsea im Elfmeterschießen. Am Dienstagabend stand es nach dem Schlusspfiff 2:2. Die Hoffnung auf das Finale, das am 1. Juni in London steigen wird, sie lebt. Oder: „Es bleibt ein 50:50-Spiel“, wie Thomas Tuchel nach dem Schlusspfiff gesagt hat. Und er wusste sogar schon, wie das ablaufen könnte: „90 Minuten, 120 Minuten, Elfmeterschießen, Sieg in Madrid und weiter nach Wembley“.
Hochbegabte Teams
Für die Fans gepflegten Fußballspiels wäre es nicht das Schlechteste, wenn es so kommen würde. Zwei derart hochbegabte Teams möchte man schließlich spielen sehen, so lange es nur irgend möglich ist. Ein Blick auf die Statistik zeigt, was ein Spiel zwischen Bayern München und Real Madrid so besonders macht. Von den 557 Pässen, die Bayern gespielt hat, kamen 522 an. Eine schier irrwitzige Passquote von 94 Prozent ergibt das. Bei Real Madrid fanden 91 Prozent aller Pässe den Mitspieler. Da haben Leute Fußball gespielt, die ihren Beruf beherrschen. Wer von den zwei Teams besser war? Schwer zu sagen. Es war ein Spiel auf Augenhöhe.
Die Bayernspieler, die sich nach ihrem Auftritt den Fragen der Pressevertreter gestellt haben, sahen das ein wenig anders, auch wenn sie es vielleicht nicht so deutlich ausgesprochen haben. Manuel Neuer meinte etwa, dass man wohl von einem verdienten Sieg sprechen würde, wenn nicht Vinicius Junior knapp zehn Minuten vorm Ende des Spiels per Elfmeter noch den Ausgleich erzielt hätte. Wer sich vor allem an die ersten zehn Minuten des Spiels erinnert, der würde ihm gewiss zustimmen.
Es waren Minuten, in denen zu spüren war, dass die Münchner sich etwas ganz Großes vorgenommen hatten. Drei doch recht gute Chancen innerhalb von sieben Minuten wurden da herausgespielt. So viel Engagement hatte man lange nicht gesehen beim FC Bayern. Belohnt wurde es nicht. Nach 24 Minuten stand es plötzlich 1:0 für Real.
Die Fehler entscheiden am Ende
Bayerns Innenverteidiger Kim Min-Jae, der neben Eric Dier spielte, weil Matthijs de Ligt, Stammpartner der vergangenen Wochen, angeschlagen war, hatte den Laufweg von Vinicius Junior falsch eingeschätzt und ihm so den Weg zum Tor freigemacht. Das Kopfschütteln über ihn begann und hörte bis weit nach dem Schlusspfiff nicht auf. Denn der Koreaner war es auch, der den Elfmeter verschuldet hatte. Eigentlich hatte es dieses großartige Spiel nicht verdient, dass am Ende vor allem über diese kapitalen Fehler gesprochen wurde.
Aber so ist das wohl, gerade wenn sich zwei überaus gute Mannschaften bespielen. Die Fehler sind es, die am Ende entscheiden. Und deshalb sprach eben nach dem Spiel kaum einer über den wieder bissigen und antriebsfreudigen Konrad Laimer, kaum einer über Leroy Sané, den Torschützen zum 1:1, der wegen einer Verletzung bis zu diesem Spiel noch gar nicht mit der Mannschaft trainiert hatte, oder über Harry Kane, der natürlich den Foulelfmeter, der den Bayern nach einem Foul an Jamal Musiala zugesprochen worden war, verwandelt und den Bayern die zwischenzeitliche Führung beschert hatte.
Aber immerhin wurde über das Spiel gesprochen. Zuvor hatte es der FC Bayern ja geschafft, dass vor der wichtigsten Partie des Jahres vor allem über Ralf Rangnick gesprochen wurde, ob er als Trainer zu den Bayern passt und ob er das überhaupt möchte. Darüber wollte Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sich nicht wirklich äußern. Ob denn bald mit einer Entscheidung zu rechnen sei, wurde er am Dienstagabend gefragt. Man wisse es nicht. Manchmal regne es im April und im Mai scheine dann plötzlich die Sonne. Soso.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück