Champions-League-Finale in Kiew: Bittere Niederlage für Wolfsburg
Jubel bei den Spielerinnen von Olympique Lyon. In der Verlängerung mussten die Frauen des VfL innerhalb von sieben Minuten drei Treffer hinnehmen.
In der 67. Minute hatte Popp noch mit einer Grätsche geglänzt. Sie sprintete zurück und rutschte der Ausnahmespielerin Amadine Henry von Olympique Lyon in die Parade und verhinderte mit dem weggespitzelten Ball eine gute Torchance. So was nennt man im Fußball gern ein Zeichen mit Signalwirkung. In der Tat kämpfte sich das Wolfsburger Team auch dank solcher ermutigenden Aktionen gegen die favorisierten Französinnen bis in die Verlängerung. Der recht glückliche, abgefälschte Führungstreffer von Pernille Harder (93.) schien in dieser wankelmütigen Partie dann ein weiteres Zeichen zu sein, dass das Schicksal es letztlich gut meint mit den Wolfsburgerinnen.
Doch drei Minuten später setzte Popp fern von jeglicher Gefahrenzone an der Außenlinie im Mittelfeld zu einer Grätsche an, welche die Partie völlig aus den Angeln hob. Denn die tschechische Schiedsrichterin Jana Adámková verwies die 27-Jährige mit einer gelb-roten Karte zu Recht vom Platz. Dieses Mal hatte sie in dem unnötigen Zweikampf vor allem Henry und weniger den Ball getroffen.
Es war ein unerklärlicher Moment des Kontrollverlusts mit bemerkenswert verheerenden Folgeschäden. Zack, zack, zack, sieben Minuten später hatte Olympique den 0:1-Rückstand in eine 3:1-Führung umgewandelt. Deutlicher hätte Olympique Lyon nicht demonstrieren können, dass es gegen die Großmacht des europäischen Frauenfußballs eines perfekten Spiels bedarf. Der erste klare Fehler hatte die Demontage der Wolfsburgerinnen zur Folge. Am Ende feierten die Französinnen im lila Glitterregen der Uefa einen 4:1 Finalerfolg. Es ist nun schon bereits der dritte Champions-League-Sieg in Folge.
Alexandra Popp sah das Unheil schon gleich beim Platzverweis kommen: „Mein erster Gedanke war: Scheiße, diese Karte ist echt zu früh. Ich muss mich bei der Mannschaft entschuldigen, weil ich sie mit dem Platzverweis in de Bredoullie gebracht habe.“
Auch wenn im Teamsportarten individuelle Schuldzuweisungen verpönt sind, aber in der Analyse konnten auch die Teamkolleginnen die zentrale Bedeutung dieser Aktion nicht kleinreden.
Löcher in der Abwehr
Es war zu offensichtlich, wie das deutsche Team in Unterzahl insbesondere durch die eingewechselten pfeilschnellen Außenspielerinnen Delphine Cascarino und Shanice van de Sanden auseinandergenommen wurde. Insbesondere die Niederländerin van de Sanden – schon bei der Europameisterschaft mit Abstand die sprintstärkste Spielerin – nutze die Räume und bereitete drei Treffer vor. Lena Goessling sagte: „Wir konnten die Löcher nicht mehr schließen. Lyon hat Weltklassespielerinnen. Das ging dann alles wahnsinnnig schnell.“
Popp streute sich vor den Mikrophonen und Kameras weiter fleißig Asche über ihr Haupt. „Mit meinem Ding, kam die Kehrtwende. Das ist einfach beschissen.“ Aus der Perspektive der Siegerinnen fiel die Bilanz natürlich etwas poetischer aus. Amadine Henry erklärte: „Ich habe noch nie in einem Spiel wie diesem gestanden mit so vielen Wendungen und Überraschungen. Natürlich bin ich glücklich und ich werde die Erinnerungen wie einen Schatz hüten.“
Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann erinnerte sich wiederum an die beiden letzten Endspiele gegen Lyon in der Königsklasse 2013 und 2016 und kam an diesem Abend doch noch zu einem recht versöhnlichen Fazit: „Wir sind wieder aus meiner Sicht ein Stückchen herangerückt an Lyon und können positiv in die Zukunft blicken.“ Man habe deutlich mehr Ballbesitz gehabt und hätte mit den frühzeitigen verletzungsbedingten Auswechslungen den Verlust von viel Qualität kompensieren müssen.
Allerdings sollte man sich auch nicht zu sehr auf den derzeitigen Dauergewinner Olympique Lyon fixieren. Die englischen Klubs waren in diesem Halbfinale bereits mit zwei potenten Klubs (Chelsea und Manchester City) vertreten. In Zukunft will man dort noch mehr Geld investieren. Darauf angesprochen sagte Trainer Stephan Lerch: „Gerade deshalb ist es schade, dass wir heute unsere Chance nicht genutzt haben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich