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Frauenfußball Champions League„Scheiße, warum wieder Lyon?“

Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg scheitern zum vierten Mal an Olympique Lyon. Der Abstand zwischen den Spitzenteams ist erstaunlich groß.

Lyons Spielerinnen hatten gegen Wolfburg mehr Grund zum Jubeln Foto: reuters

Wolfsburg taz | Es war am Ende bezeichnend, mit welcher Abgeklärtheit Dzse­nifer Marozsán die offensiven Bemühungen der Wolfsburgerinnen in der zweiten Hälfte kommentierte. Auf die Frage, ob sie nach dem 2:2-Ausgleich durch Pernille Harder in der 56. Minute befürchtet habe, dass Wolfsburg das Spiel jetzt drehe, erwiderte Maro­szán knapp: „Absolut nicht.“ Sie habe Vertrauen ins eigene Team, ließ die deutsche Stürmerin in Diensten von Lyon wissen, und dass es schade sei, dass dieses tolle Spiel schon im Viertelfinale gewesen sei.

Aber die zentrale Botschaft war tatsächlich: Auch nach dem 2:2 gab es nicht viele Argumente dafür, dass die deutschen Meisterinnen das Duell mit Lyon noch drehen würden. Eine ganze Halbzeit lang durfte Olympique Lyon die Kontrahentinnen beinahe nach Belieben vorführen. Nach dem 1:2 im Hinspiel brauchten die Wolfsburgerinnen einen Sieg, aber der Auftritt der Deutschen war weit davon entfernt.

Bereits in der 8. Minute eröffnete Maroszán mit einem direkt aufs Tor gezirkelten Freistoß den Torreigen, nachdem Almuth Schult sich böse verschätzt hatte. Nationaltorhüterin Schult, die mehrfach unglücklich aussah, war es auch, die mit einem überflüssigen Foul an Ada Hegerberg wenig später einen Elfmeter und damit das 0:2 verursachte. Man sei „gefühlt wieder nicht mutig genug“ gewesen, befand Alex Popp nach der Partie, aber es war nicht nur Mut, an dem es den deutschen Spitzenreiterinnen in diesem Rückspiel im Champions-League-Viertelfina­le mangelte.

Die technisch starke Offensive um Ada Hegerberg und Eugénie Le Sommer bekamen die Wolfsburgerinnen nie in den Griff; Trainer Stephan Lerch dürfte einen Klassenunterschied gesehen haben. Fast körperlos lief sein Team den sowohl aggressiven als auch filigranen Französinnen hinterher. Trotz aller Beteuerungen der Spielerinnen, so groß sei der Unterschied gar nicht gewesen: Der Abstand zwischen dem vielleicht zweitbesten Team Europas und dem sicherlich besten Team Europas ist eindrücklich. Der Versuch der Wolfsburgerinnen, sich mit geduldigem Passspiel in Lyons Strafraum durchzuarbeiten, scheiterte immer aufs Neue. „Die Stimmung in der Kabine war zur Halbzeit am Boden“, gab Lerch später zu Protokoll.

Es ist bislang eine enttäuschende Rückrunde gewesen für die Wolfsburgerinnen. In der Liga haben die Münchnerinnen an der Spitze gleichgezogen, und im Pokal könnte im Halbfinale gegen München am Sonntag Schluss sein. In der Champions League ist Wolfsburg jetzt zum vierten Mal hintereinander an Lyon gescheitert, diesmal mit Ansage. „Man denkt sich schon: Scheiße, warum wieder Lyon?“, so Lena Goeßling etwas ratlos. „Vielleicht haben wir zu viel Respekt. Wir hatten keine Effektivität nach vorne.“

Wolfsburger Illusionen beendet

Man darf sich schon fragen, warum Wolfsburg nicht früher seine Schnelligkeit über die starken Außenspielerinnen ausnutzte. Als das Team das Tempo anzog, fielen über außen gleich zwei Tore, beide fast identische Kopien voneinander, beide verwandelt von Pernille Harder. Für einen Moment schien sich Lyon am eigenen kraftraubenden Pressing erschöpft zu haben. Vier Minuten später machte Eugénie Le Sommer aus einem Konter ein Tor und beendete alle Wolfsburger Illusionen.

Dass das letztendliche 4:2 nicht nur torreich, sondern überaus unterhaltsam verlief, war dem Aufbäumen der Wolfsburgerinnen gegen alle Wahrscheinlichkeit, aber auch der offensiven Ausrichtung von Lyon geschuldet. „Wir wollten uns nicht defensiv hinten reinstellen. Wir wollten gewinnen“, resümierte Dzsenifer Maro­zsán.

Es gehört nicht viel Wagemut zu der Prognose, dass Lyon auch dieses Jahr den europäischen Titel holen wird. Trainer Reynald Pedros lässt seinen Luxuskader ein feines Kurzpassspiel aufziehen, und das etwas lässige Selbstbewusstsein der Spielerinnen hat durchaus eine Grundlage. Für die Wolfsburgerinnen geht es im Pokal-Halbfinale gegen München um den nächsten Titel. Das sehr deutliche Ausscheiden in der Champions League freilich hinterlässt seinen Beigeschmack, selbst wenn die Wolfsburgerinnen gegen München beide Titel sichern sollten.

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