Caterina Valente wird 90: Lebende Legende fernab der Bühne
Der erste internationale Popstar in Nachkriegsdeutschland war zugleich ein Weltstar. Und eine Perfektionistin auf allen Gebieten ihrer Kunst.
Wie würdigt man ein künstlerisches Monument, wie gratuliert man einer – nach wie vor auf der sonnigen Seite auf den Höhen des schweizerischen Lugano – lebenden Legende? Jüngere werden Caterina Valente kaum noch kennen. Doch sich mit ihr vertraut zu machen wäre zugleich eine Lehrstunde in: Konsequenz, körperlicher Disziplin, eisigem Fleiß, sehr harter Arbeit am eigenen Können und Verzicht auf alle Starallüren zugleich.
Caterina Valente, Kind einer vor allem in Europa recht populären Artistengruppe mit Performances in Zirkuszelten und Revuetheatern, wurde zu einer der wichtigsten Berühmtheiten der Nachkriegszeit, weil sie in ihrem Fach alles beherrschte: singen in allen Tonarten, tanzen mit allen Schrittfolgen – für ihre Kolleg:innen gewiss furchteinflößend.
Sie war der erste internationale Popstar (nicht nur) in der Bundesrepublik, immer populär, aber auch stets mit dem gewissen Flair kühler Distanziertheit. Sie lachte gern, oft und laut, aber nie hatte ihr Lachen dieses Anschmeißerische, das um Sympathie buhlt – denn sie warb um ihre Kunst nicht mit devoten Gesten.
Sie war international, durch ihre erste Heirat wurde sie Deutsche, heute ist sie Französin. Sie versteht sich als Europäerin und strikte Pazifistin, Kind einer kriegsgeschädigten, nazihassenden Familie – aber recht eigentlich, sagte sie einmal im taz-Gespräch, verstehe sie sich als Weltbürgerin.
Alles für das Publikum
Die Valente, das war in den 1960er Jahren US-amerikanisches Fernsehen, wo sie mit Perry Como viele Monate eine Show zur Primetime bestritt. Sie war es, die die wahnsinnig stylish-modernen Sounds des Bossa nova in Brasilien entdeckte und in die USA trug – eine Frau, die Musik und Bühne liebte, Jazz sowieso und in gewisser Weise auch frühe Formen des Rap, jedoch zugleich um jeden kunstreligiösen Underground einen Bogen machte: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ – sie wollte dem Publikum bieten, was es mochte.
Also in den USA, vor allem in Las Vegas und in Los Angeles, die Kunst, für die auch Sammy Davis, Jr. stand, Entertainment pur; oder in Deutschland, wo sie als Schlagersängerin bekannt wurde für Titel wie „Malaguena“ (mit dem das deutsche Publikum nichts anfangen konnte, mutmaßlich deshalb, weil es zu intensiv ist), „Wo deine Sonne scheint“, „Itsy Bitsy Honolulu Strandbikini“ oder „Steig in das Traumboot der Liebe“ – oder später, über siebzigjährig schon, die mit der WDR Big Band live aufgenommenen „Kurt Weill American Songs“, frisch und geschmackvoll überliefert.
Der Sänger Gilbert Bécaud, bester Freund der Valente, als sie Ende der 1940er Jahre ohne ihre Familie (und die übermächtige Mutter) nach Paris kam, war ihr ebenso ergeben wie so viele ihrer Generation. 2003 zog sie sich von der Bühne zurück. Mein Publikum mag es mir danken, sagte sie, mich zu sehen – aber ich fühle mich nicht mehr in der Verfassung, mich dem Publikum zu präsentieren – man müsse wissen, wann es genug sei.
Geboren am 14. Januar 1931, als ihre Familie gerade in Paris gastierte, wird sie heute 90 Jahre alt, öffentliches Comeback ihrerseits unerwünscht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut