Cannabis Social Clubs: Der legale Weg klemmt
Ein Baustein beim Cannabisgesetz sind die Cannabis Social Clubs. Dafür braucht es Genehmigungen. In Berlin tut man sich schwer.
Als Nächstes, so sieht es das neue Cannabisgesetz vor, soll man sein grünes Kraut auch als Mitglied eines Cannabis Social Clubs in begrenzter Menge legal beziehen dürfen. Noch in diesem Jahr sollte das möglich sein, glaubten bis vor kurzem selbst die Vorsichtigen unter den Cannabisaktivisten und sprachen von einem anvisierten „grünen Weihnachten“.
Das klingt nun, mehr als zwei Monate nach dem Stichtag 1. Juli, seit dem sich laut Bundesgesetz die Cannabis Clubs um eine Genehmigung bemühen können, ganz anders. In einer gerade vom RBB ausgestrahlten Dokumentation, „Kiffer-Chaos in Berlin“, in der von „Katerstimmung statt Rausch“ die Rede ist, gibt der Vorstand eines Berliner Cannabisvereins an, er sei schon froh, wenn er nächstes Frühjahr mit dem Anbau von Hanf beginnen könne. Da die Pflanzen auch noch wachsen, abgeerntet und getrocknet werden müssen, könnten ihre Blüten wohl frühestens nächsten Sommer in den Joints landen.
Ein Gesetz, das Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband für „viel zu kompliziert, fürchterlich überbürokratisiert und gespickt mit jeder Menge schwachsinnigen Vorgaben“ hält, trifft derzeit auf Zuständige für die Umsetzung dieses Gesetzes, denen er gleichzeitig „keine Fachkompetenz und keinen Willen“ attestiert. Nicht überall in Deutschland freilich, in Niedersachsen läuft es mit den Genehmigungen der Clubs, fast ein Dutzend wurden bereits erteilt. Aber in allen anderen Bundesländern geht kaum etwas voran.
Besonders dramatisch ist die Lage in Berlin. Hier wurde zwar jüngst auch der ersten Anbauvereinigung die Genehmigung erteilt, doch man kann annehmen, dass es so schnell keine weitere geben wird. Es gleicht schließlich einem Wunder, dass es der Verein geschafft hat. Seit mehr als zwei Monaten gibt es schließlich ein Gerangel zwischen der Berliner Gesundheitsverwaltung, den einzelnen Stadtbezirken und dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), wer nun für die Betreuung der Cannabisvereine zuständig ist. Ein einziger Bezirk, Marzahn-Hellersdorf, zeigte sich bereit, den Antrag eines Clubs zu bearbeiten, und der hat nun auch seine Genehmigung bekommen.
Blockade und Verwirrung
Doch nun geht es einfach weiter mit Blockade und Verwirrung. Auch die Berliner Lokalmedien blicken längst nicht mehr durch bei dem ganzen Wirrwarr, verkündeten aber zuletzt, dass eine Lösung gefunden worden sei. Demnach würde das Lageso fortan für die Bearbeitung der Anträge zuständig sein und die Bezirke für die Kontrolle der Clubs. Fragt man nun aber beim Lageso an, teilt einem ein Pressesprecher mit, man würde hier die Anträge nicht einmal in die Hände nehmen, rechtlich gesehen sei man weiterhin nicht für deren Bearbeitung zuständig. Ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung wiederum gibt auf Anfrage an, man arbeite noch an einer Rechtsverordnung für das Lageso und parallel an einer „Anpassung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes“. Bis zur Verkündigung der Rechtsverordnung gelte damit die „Auffangszuständigkeit der Bezirke“. Somit ist man in Berlin wieder genau da angekommen, wo man bereits vor gut zwei Monaten war: Die Bezirke, die außer Marzahn-Hellersorf allesamt gesagt haben, sie werden sich nicht um die Anträge kümmern, sollen es richten.
Passieren wird also weiterhin gar nichts und Marzahn-Hellersdorf hat bereits vorsorglich verkündet, sich fortan nur um Vereine kümmern zu wollen, die im eigenen Bezirk angemeldet wurden. Auf die Frage in Richtung Gesundheitsverwaltung, wann es denn ungefähr so weit sei, bis das Lageso rechtssicher für die Anträge zuständig sein könnte, bekommt man nicht einmal eine Antwort.
Oliver Waack-Jürgensen vom Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs
Oliver Waack-Jürgensen, Vorstand im Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs und im Cannabisverein Highground, fasst seine Gefühle angesichts dieses Durcheinanders schlicht so zusammen: „Ich bin angepisst.“ Die andauernden Unklarheiten, das ewige Hin und Her bei gleichzeitigem Stillstand hätten dazu geführt, dass die Bewegung der Cannabis Social Clubs gerade am Zerfallen sei. „Die einen sagen, ich krieg mein Weed jetzt auch ganz leicht als medizinisches Cannabis aus der Apotheke. Die anderen sagen, ich habe daheim meine Hanfpflanzen und ich liebe sie.“
Wer kiffen möchte, kann sich schließlich inzwischen relativ leicht selbst versorgen, natürlich auch weiterhin auf dem Schwarzmarkt. Für viele geht es irgendwie auch ohne die Cannabis-Vereine, obwohl die ja eigentlich im Sinne des Gesetzgebers das wichtigste Instrument bei der Bekämpfung des Schwarzmarkts sein sollen.
Das ganz große Drama will Georg Wurth vom Hanfverband, anders als Waack-Jürgensen, in der schleppenden Umsetzung des Cannabis-Gesetzes jedoch noch nicht erkennen. „Es geht alles sogar schneller voran als ich vermutet hatte“, sagt er. Drei Monate haben die zuständigen Behörden gemäß Gesetz Zeit, um die Anträge der Cannabisvereine zu bearbeiten. „Ich hätte mich auch nicht gewundert, wenn erst kurz vor Ablauf der Frist etwas passiert wäre“, so Wurth. Doch zumindest in Niedersachsen wurden ja schon Mitte Juli die ersten Genehmigungen erteilt.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Wurth meint, das, was mit den Cannabisvereinen nun in Deutschland versucht werde, sei noch am ehesten mit Malta zu vergleichen, wo es ein ähnliches Gesetz gebe. „Und da hat es zwei Jahre gedauert von der Verabschiedung des Gesetzes bis zu den Genehmigungen von Cannabis Clubs.“ So gesehen geht es fast schon rasant voran in Deutschland. Doch das, was gerade in der deutschen Hauptstadt geschieht, macht auch ihm Sorgen. „Berlin ist schon ein Sonderfall“, sagt er und erinnert daran, dass der Flughafen BER so lang im Bau war, dass darüber garantiert auch auf Malta herzlich gelacht wurde. Es könnte also durchaus sein, dass man selbst in dem Inselstaat demnächst staunt, wie lange die in Berlin mal wieder brauchen, um etwas geregelt zu bekommen.
Oliver Waack-Jürgensen will nun nicht mehr wetten, dass es nicht so kommt. Sein Plan ist jetzt, seinen Verein als Anbaugemeinschaft in Brandenburg anzumelden. Dort, so glaubt er, kann es einfach nur besser laufen als in Berlin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid