Cancel Culture: Nicht mal Mel Gibson ist gecancelt
US-Schauspieler Mel Gibson ist für antisemitische, rassistische und misogyne Äußerungen bekannt. Nun hat er in der Serie „The Continental“ eine Hauptrolle.
D er größte Witz des vermeintlichen Cancelns ist ja, dass diejenigen, die sich als Opfer der sogenannten Cancel Culture gerieren, direkt Dutzende Mikrofone unter die Nase gehalten bekommen, in die sie greinen können, wie fies sie von den bösen „Woken“ doch behandelt werden. Nicht Louis C. K., nicht Johnny Depp, nicht Lisa Eckhart, nicht Joanne K. Rowling, keine dieser Personen des öffentlichen Lebens ist „gecancelt“. Sie alle stehen nach wie vor auf Bühnen, vor Kameras, verkaufen ihre Marke. Doch jetzt ist eine Casting-Entscheidung über meinen Bildschirm geflattert, die selbst mich zusammenzucken ließ, wo mich eigentlich wenig erstaunt, wenn es um nicht gecancelte Promis geht: Mel Gibson ist zurück.
What?! Der Mel Gibson, der die Jüdin Winona Ryder als eine „Vor-dem-Ofen-Drückerin“ („oven dodger“) bezeichnet haben soll? Der „Witze“ darüber macht, dass Schwule ihm Aids geben würden? Von dem eine Tonaufnahme geleakt wurde, auf der er zu seiner Ex-Frau sagt, sie wäre schuld daran, wenn sie von „einem Haufen *N-Wort* vergewaltigt“ werden würde? Der häusliche Gewalt ausgeübt haben soll? Der Fakten rund um den Holocaust zumindest „anzweifelt“? Ich könnte die Liste weiterführen, aber mein Punkt ist klar: Mel Gibson ist ein antisemitischer, rassistischer, homofeindlicher und misogyner Mensch. Und nun hat er wieder eine Hauptrolle.
Natürlich war Gibson nie weg. Immer wieder spielte er in B-Movies mit – allein im Jahr 2022 sind sechs Filme mit ihm erschienen. Trotzdem galt er lange Zeit in Hollywood als „blacklisted“ – oder eben, wie man heute sagen würde, als „gecancelt“. Doch jetzt ist er der tragende Schauspieler der Miniserie „The Continental“, einer großen Produktion, die auf dem „John Wick“-Franchise basiert (mit Keanu Reeves, der in der Serie aber nicht mitspielt), und deren erster Trailer gerade erschienen ist.
Wer „The Continental“ guckt, macht sich mitschuldig
Dass Gibson nach all den Entgleisungen, die er sich im Laufe der letzten Jahre geleistet hat, wieder große Hauptrollen kriegt, ist schon ein starkes Stück. Er ist einer der vielen Beweise dafür, dass es die vermeintliche Cancel Culture eben doch nicht gibt – zumindest nicht, solange es um mächtige weiße Männer geht. Marginalisierte Menschen wiederum können ein Lied davon singen, was es bedeutet, wirklich „gecancelt“ zu werden.
Ich jedenfalls habe endgültig die Schnauze voll. Denn wenn es um die „Kunst vom Künstler trennen“-Diskussion geht, gibt es in meinen Augen eine Grenze und diese Grenze ist eindeutig Mel Gibson. Wer „The Continental“ guckt, macht sich mitschuldig an der Rehabilitierung von Gibson. Einer Rehabilitierung, die er offensichtlich nicht verdient hat. Jeder darf mal Fehler machen, klar. Aber bei Gibson war es erstens nicht nur ein Fehler und zweitens zeigte er nach der Kritik daran auch keinerlei Einsicht. Er ist und bleibt ein Antisemit und Rassist. Wo also ist diese Cancel Culture, wenn man sie mal braucht?
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