CSU nach der Wahl: Söder und die letzte Patrone
Markus Söder sieht sich als Sieger der Bundestagswahl – wie könnte es anders sein. Aber jubeln will der CSU-Chef nicht.
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Es sind die Abgeordneten Volker Ullrich aus Augsburg und Sebastian Brehm aus Nürnberg sowie Claudia Küng, die für den Wahlkreis München-Süd erstmals kandidierte, die künftig nicht im Parlament sitzen werden. Grund dafür ist das neue Wahlrecht, das eine Deckelung der Abgeordnetenzahl auf 630 vorsieht. Das heißt: Wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreise erobert, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Mandate zustehen, müssen die Kandidaten mit dem schlechtesten Ergebnis draußen bleiben. Bei der CSU sind das Ullrich, Brehm und Küng.
„Unfair und undemokratisch“, nennt Söder dieses Wahlrecht. Und Dobrindt behauptet, es trage zu einer weiteren Politikverdrossenheit bei. Es falle auf, so Söder, dass vor allem der Süden davon betroffen sei, auch viele Kandidaten in Baden-Württemberg und Hessen. „Ein letzter Gruß der Ampel“, sagt der CSU-Chef. Dass er die Ampel stets als norddeutsches Projekt mit dem Ziel der Diskriminierung des Südens, vornehmlich Bayerns, betrachtet hat, daraus hatte Söder nie einen Hehl gemacht.
Spitzen gegen Merkel, Wüst und Günther
37,2 Prozent der Stimmen in Bayern hat die CSU bei der Bundestagswahl bekommen – deutlich weniger, als ihr zuletzt in Umfragen prophezeit worden waren, aber auch deutlich mehr als die Union im Gesamten (28,5 Prozent) oder sie selbst im Jahre 2021 (31,7 Prozent).
Der Grund dafür, dass das Ergebnis der Union, aber auch der CSU, dann doch hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, ist in Söders Augen ganz einfach und lasse sich auf eine Zahl reduzieren: 54 Prozent. So viele Wähler hätten angegeben, dass die Union die Schuld an der hohen Migration hätte. Diese seien sich nicht sicher, dass CDU und CSU nun tatsächlich eine andere Migrationspolitik einschlügen.
Söder machte aber für das bescheidene Abschneiden auch diejenigen verantwortlich, die in der Union öffentlich mit Schwarz-Grün geliebäugelt hätten. Die Namen der Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst nennt er zwar nicht, Kanzlerkandidat Friedrich Merz nimmt er von der Kritik jedoch explizit aus. Auch habe es „Erinnerungen aus dem Gestern heraus“ gegeben, die nicht hilfreich gewesen seien. Dass er in diesem Fall auf Angela Merkels mahnende Worte nach der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD anspielt, ist offensichtlich, von einem „Foul“ spricht er sogar.
Dem Teufel von der Schippe gesprungen
Und dann stellt der CSU-Chef noch eine interessante Berechnung an, deren Aussagekraft freilich begrenzt ist: „Ohne AfD und ohne Freie Wähler“, sagt Söder, als gebühre ihm Mitleid dafür, „wären wir bei 60 Prozent.“ Wie das eben so ist bei politischen Gegnern. Hätte man keine davon, stünde man bei 100 Prozent.
Froh ist Söder besonders darüber, dass eine Koalition mit den Grünen nicht mehr zur Diskussion steht. „Wir sind dem Teufel gestern Abend noch mal von der Schippe gesprungen.“ Eine Zeitlang sah es am Wahlabend tatsächlich so aus, als ob das BSW den Sprung in den Bundestag nehmen könnte und dadurch eine Koalition nur mit der SPD nicht möglich sein würde – was Söder in erhebliche Erklärungsnöte gebracht hätte, nachdem er stets erklärt hatte, es werde mit ihm keine Koalition mit den Grünen geben.
Auffallend pfleglich geht er dafür nun mit der SPD an, erinnert an ihre historische Bedeutung. Die Sozialdemokraten hätten immer Verantwortung gezeigt, sich nie weggeduckt. Erste Signale aus der SPD seien „positiv und ermutigend“. Dass SPD-Chef Lars Klingbeil sich wieder mehr an Helmut Schmidt orientieren wolle, hebt Söder lobend hervor. Die SPD müsse nun für einen echten Politikwechsel bereitstehen, denn dieser sei „die letzte Patrone der Demokratie“. Gelinge er nicht, werde das Land weiter nach rechts schlingern – mit erheblichen Folgen für ganz Europa.
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