CSU KANN UNTERSCHRIFTENKAMPAGNE GEGEN HOMO-EHE NICHT RISKIEREN: Späte Einsicht
Etwas spät, dafür plötzlich hat die CSU erkannt, welch „riskante“ Pläne sie verfolgt. Bayerische Bundestagsabgeordnete hatten eine erneute Unterschriftenkampagne gefordert – diesmal gegen die „Homo-Ehe“. Doch dann ordnete Stoiber den Rückzug an. Auf der Klausurtagung im Kloster Banz hat die CSU daher gestern beschlossen, auf die Stimmungsmache zu verzichten. Ganz konventionell wird stattdessen mit dem Bundesverfassungsgericht gedroht.
Die CSU-Begründung für diesen Politikwechsel ist schon fast rührend schlicht: Man fürchte den Vergleich mit der so erfolgreichen Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Damals ließen sich mehrere Millionen Unterschriften sammeln. „Würden wir jetzt nur 800.000 bekommen, würde alle Welt sagen, es sei ein Reinfall.“
Richtig an dieser CSU-Analyse ist, dass die neue Unterschriftenaktion ein immenses Risiko wäre. Aber nicht nur, weil die reinen Zahlen enttäuschen könnten. Das Problem ist viel fundamentaler. Denn was bei der Unterschriftenaktion gegen die Reform des Staatsbürgerrechts so klassisch instrumentalisiert werden konnte – ein klares „Drinnen versus Draußen“, hier die Deutschen, da die Fremden –, funktioniert bei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben nicht. Sehr zum Ärger der Konservativen gibt es Homosexuelle überall. Anders als die Ausländer leben sie nicht nur rechtlos am Rande der Gesellschaft, politisch leicht auszubeuten. Fast jede Familie hat schwule und lesbische Angehörige; jede Partei hat homosexuelle Spitzenfunktionäre. Auch bei CDU und CSU sind schwule und lesbische Mandatsträger keineswegs selten. Ganz im Gegenteil.
Wäre es zu einer Unterschriftenaktion gekommen: Die homosexuellen Mandatsträger in den Unionsparteien hätten das Zwangs-Outing fürchten müssen; konservative Eltern mit homosexuellen Kindern hätten sich als Wähler abgewandt. Kein Wunder also, dass die CSU den Konflikt lieber zum Verfassungsgericht auslagert.
ULRIKE HERRMANN
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