CSU-Geschäftsführer über Politikalltag: „Es werden Grenzen überschritten“
Stefan Müller ist Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Ein Gespräch über verschärfte Tonlagen, die Koalitionskrise und die AfD.
taz: Herr Müller, der Koalitionsvertrag hat vor 13 Monaten „eine neue Dynamik“ und „neuen Zusammenhalt“ für Deutschland versprochen. Im Parlament ist der Ton der politischen Auseinandersetzung aber härter geworden.
Stefan Müller: In der Tat. Lautstärke und Tonlage haben sich verändert. Es werden Reden gehalten, die früher nicht gehalten worden sind. Es werden Grenzen überschritten, weil es oft nicht mehr um Debatten geht, sondern um persönliche Anfeindungen. Das geht für mich zu weit. Da sind aber alle gefragt, entsprechend zu reagieren.
Die Koalitionskrise ist jetzt schon ein Dreivierteljahr her. Waren Sie sich immer sicher, dass sich Ihr ehemaliger Parteivorsitzender Horst Seehofer und die ehemalige CDU-vorsitzende Angela Merkel noch einigen?
Sagen wir mal so: Es war richtig, die Diskussion in der Sache zu führen. Bei einem so wichtigen Thema wie der Migration muss man streiten können. Wichtig ist, dass am Ende alle den Willen zum Kompromiss haben. Den Eindruck hatte ich. Aber ja, nicht jedes Wort hätte so fallen müssen, wie es gefallen ist.
Die Fraktionen können sich nicht auf eine Wahlrechtsreform einigen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ist mit seinem Vorschlag gescheitert, die Zahl der Wahlkreise zu verringern und Überhangmandate zu begrenzen. Verstehen Sie, wenn WählerInnen den ParlamentarierInnen Besitzstandswahrung um jeden Preis unterstellen?
ist seit der vergangenen Bundestagswahl Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. In der vergangenen Legislaturperiode war der 43-jährige Franke Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium.
Es gibt ja zumindest Einigkeit über die Fraktionsgrenzen hinweg – nämlich dass der Bundestag mit 709 Abgeordneten zu groß ist. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments wird nicht dadurch besser, dass es mehr Abgeordnete gibt. Die spannende Frage ist jetzt, was die Lösung sein kann.
Und die wäre?
Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts ist eine fast unlösbare Aufgabe. Es hat bestimmte Sachverhalte für verfassungswidrig erklärt, ohne zu sagen, was möglich ist. Meine Fraktion kann sich mit dem Vorschlag des Bundestagspräsidenten nur teilweise anfreunden. Eine Reform, die darauf setzt, dass wir die Zahl der Wahlkreise verringern und damit das einzige Instrument direkter Demokratie schwächen, ohne sicher sein zu können, dass es dazu beiträgt, den Bundestag zu verkleinern – das kann nicht im Sinne der Wählerinnen und Wähler sein.
Gerade haben die Abgeordneten den dritten AfD-Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten abgelehnt. Die AfD will jetzt in jeder Sitzungswoche über einen neuen Kandidaten abstimmen lassen. Wie wollen Sie aus dieser Nummer wieder rauskommen?
Ich kann der AfD nur empfehlen, nicht jede Woche diesen Tagesordnungspunkt aufsetzen zu wollen. Dem müssten nämlich alle Fraktionen zustimmen. Sie sollten sich lieber darum kümmern, dass sie Kandidaten vorschlagen, die dann auch gewählt werden können. Ich habe Verständnis für Kollegen, die meinen, dass unserer Geschäftsordnung zufolge der AfD ein Sitz im Präsidium zustünde. Ich akzeptiere aber auch, wenn Kollegen sagen, wir wollen keine AfD, die in Teilen ein gestörtes Verhältnis zu unserem Parlament hat.
Wie kann es denn weitergehen mit der AfD? Fraktionschef Alexander Gauland spricht von „Krieg“ im Bundestag.
Wenn es um das Funktionieren des Parlamentsbetriebs geht, dann dient unsere interfraktionelle Geschäftsführer-Runde dazu, Unstimmigkeiten auszugleichen und Einvernehmen herzustellen. Das ist mit der AfD zum Teil nicht möglich. Offensichtlich haben die, die in diesen Runden dabei sind, nicht immer Prokura, tatsächlich etwas zu entscheiden. Wenn die in organisatorischen Fragen immer diese Rückkopplung brauchen, macht es das natürlich sehr schwer.
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