COP 27 in Ägypten: Klimagipfel in der Verlängerung
Eigentlich hätte die Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich am Freitagabend enden sollen. Viele Knackpunkte sind noch offen.
![Menschen laufen im orangefarbenen Dämmerlicht über das Außengelände der COP 27. Menschen laufen im orangefarbenen Dämmerlicht über das Außengelände der COP 27.](https://taz.de/picture/5923505/14/COP27-1.jpeg)
Er deutete an, dass nach den nächtlichen Verhandlungen sogar im Raum stehe, hinter den Stand der Weltklimakonferenz des vergangenen Jahres zurückzufallen – und dass die EU bereit sei, die Verhandlungen platzen zu lassen. „Unsere Botschaft an unsere Partner ist deutlich: Wir können nicht akzeptieren, dass das 1,5-Grad-Ziel hier und heute stirbt“, schob der EU-Politiker auf Twitter nach.
Eigentlich hätten die Verhandlungen am Freitagabend enden sollen. In dem bisherigen Entwurf für eine Abschlusserklärung, den die ägyptische Gipfelpräsidentschaft erstellt hat, ist aber so gut wie nichts fertig ausverhandelt. Es sei ersichtlich, „dass es immer noch eine Menge Themen gibt, wo der Fortschritt ausbleibt“, räumte Ägyptens Außenminister Samih Shoukry ein, der als Präsident des Klimagipfels fungiert.
Shoukry will am frühen Samstagnachmittag mit den Verhandlungen fertig sein. Viele zivilgesellschaftliche Beobachter:innen legen sich da noch nicht so fest. Derweil lässt die ägyptische Regierung das Konferenzzentrum schon abbauen. Es gibt kaum noch Essen vor Ort. Ob die Verhandlungen besser laufen, wenn nicht nur übernächtigt, sondern auch hungrig sind?
US-Chefverhandler mit Covid im Bett
Nicht förderlich ist zudem, dass US-Klimasondergesandter John Kerry positiv auf Covid getestet wurde. Das teilte seine Sprecherin Whitney Smith am späten Freitagabend mit. Kerry ist der oberste US-Verhandler. Auf den Weltklimagipfeln lösen sich Knoten traditionell eher in informellen Flurgesprächen als über offizielle Wege. Mit Kerry in seinem Hotelbett geht das also schlechter.
Dabei gehören die USA in einer der großen Streitfragen zu den Blockierern: bei der Frage, ob es künftig finanzielle Unterstützung für Länder geben soll, die unter klimawandelbedingten Schäden und Verlusten leiden. Erstmals steht das Thema überhaupt offiziell auf der Tagesordnung einer Weltklimakonferenz.
Die Entwicklungsländer bestehen auf einem Fonds spezifisch für diesen Zweck, in den reiche Länder einzahlen müssen. Die USA sind strikt gegen eine solche Verpflichtung. Und die Europäische Union, die einem Fonds mittlerweile zustimmt, will durchsetzen, dass das Geld nur an besonders verletzliche Länder ausgezahlt werden darf.
Wer zählt als Entwicklungsland?
Der Knackpunkt: Als Entwicklungsland zählt beispielsweise auch China noch – trotz mittlerweile gestiegener Wirtschaftskraft und entsprechenden CO2-Emissionen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Freitagnachmittag, das Geld aus einem etwaigen Fonds für Schäden und Verluste solle nicht an die gehen, die „nur noch auf dem Papier“ Entwicklungsländer seien. „Wir werden in den nächsten Stunden sehen, ob auch die anderen Länder bereit sind, aus der Karo-Box herauszukommen, in der wir hier jahrelang verhandelt haben.“
Das wiederum dürfte China nur mäßig gefallen. Zusammen mit der Entwicklungsländer-Verhandlungsgruppe „G77+China“ ist das Land für einen Fonds eingetreten – aber wohl in der Annahme, dann eher selbst zu den Profiteuren zu gehören als zu den Einzahlenden.
„Es tut gut zu sehen, dass die EU ein konkretes Angebot macht, um die Krise für die Verletzlichsten zu adressieren und hier in Scharm al-Scheich einen Fonds für Schäden und Verluste zu etablieren“, sagte Mohamed Adow von Power Shift Africa, der die Klimaverhandlungen schon seit vielen Jahren beobachtet. „Aber um ehrlich zu sein, sollte dieser Fonds nicht genutzt werden, um den alten Streit um die Erweiterung der Geberbasis zu schlichten.“
Das sieht Baerbock zum Beispiel anders. „Ein Fonds ist ja kein Selbstzweck“, so die Ministerin. „Wenn wir den verletzlichsten Ländern helfen wollen, braucht es viel Geld.“ Außerdem sei es eine Frage der Gerechtigkeit, dass Länder entsprechend ihrem Beitrag zum Klimawandel für die Schäden und Verluste zahlten. Das sei zudem ein Anreiz, um diesen Beitrag zum Klimawandel möglichst kleinzuhalten, also weniger zu emittieren. Andernfalls sei das „ein total falsches Anreizsystem“, so Baerbock.
Dass eine Weltklimakonferenz nicht ganz pünktlich endet, ist keine Besonderheit – die Frage ist, wie lange die Verhandler:innen überziehen. Der bisher längste der Gipfel fand 2019 in der spanischen Hauptstadt Madrid statt. Auch sie hätte an einem Freitagabend enden sollen, dauerte aber bis Sonntagmittag.
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