CO₂-Abscheidung bei der Hannover Messe: Kohlenstoffdioxid soll endlich weg
Ob bei der Hannover Messe oder beim Spatenstich für ein klimaneutrales Zementwerk: CO₂-Emissionen sollen runter.
Stark-Watzinger ist gerade aus Norwegen zurückgekehrt, wo sie sich ein Bild von Projekten zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid gemacht hat. Die sogenannten CCS-Technologien (für Carbon Capture and Storage) sind laut ExpertInnen nötig, um auch in Bereichen mit kaum vermeidbaren Restemissionen Klimaneutralität zu erreichen – etwa in Teilen der Industrie. Einige Umweltverbände hingegen fürchten, CCS sei bloß eine Scheinlösung, die den Ausstieg aus den fossilen Energiequellen blockiert.
Norwegen ist das Partnerland der Hannover Messe, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntagabend eröffnet hat. Die größte Industriemesse der Welt steht in diesem Jahr unter dem Motto „Energizing a Sustainable Industry“ – Energie für eine nachhaltige Industrie. Es geht also darum, wie Unternehmen die Energiewende gestalten, ohne an Wirtschaftskraft zu verlieren. Aber eigentlich geht es zunächst vor allem: um CCS.
Bettina Stark-Watzinger, Forschungsministerin (FDP)
Scholz kündigte an, beim Abscheiden von CO₂ mit Norwegen zusammenzuarbeiten. Beide Länder seien „fast symbiotisch miteinander verbunden“, schwärmt er vor Hunderten Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft. Nicht alle Industrieprozesse würden sich bis 2045 vollständig dekarbonisieren. Das Öl- und Gasförderland Norwegen sei Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien – und bei CCS technologisch führend. „Deshalb setzen wir gemeinsam auf diese Technologie im Kampf gegen den Klimawandel“, betonte Scholz.
„Alles CO₂Europas speichern“
Bedenken wegen möglicher Risiken versuchte der norwegische Premierminister Jonas Gahr Støre zu zerstreuen. Norwegen habe mehr als 25 Jahre Erfahrung mit CCS und könne „alles CO₂ Europas speichern“. Auch Bildungsministerin Stark-Watzinger fällt ein in den Chor der Stimmen pro CCS: Der Klimawandel lasse „keine Zeit für Technologieverbote“. Welche genau das sein sollen, lässt sie offen.
Ein Bericht im Auftrag der Bundesregierung betont im Einklang mit Studien, dass der Einsatz von CCS „in erheblichen Maßstab“ notwendig sei, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Ende Februar hat die Bundesregierung erstmals eine Strategie vorgelegt, die vorsieht, Kohlendioxid in der Nordsee zu verpressen. Das Umweltbundesamt warnte jedoch vor dem hohen Energieaufwand, der für Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid notwendig wäre. Viele Umweltverbände meinen, dass bis jetzt nicht nachgewiesen sei, dass die dauerhafte, sichere Lagerung großer Mengen verpressten Kohlenstoffdioxids im Untergrund gelingen könne.
Für eine weitere Art der CO₂-Abscheidung wurde am Montag in Lägerdorf an der Westküste Schleswig-Holsteins der Startschuss gegeben – auch mit viel Politik-Prominenz. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vollzogen hier den ersten symbolischen Spatenstich für den Umbau eines Zementwerks, das bis 2029 klimaneutral sein soll. Bislang rangiert die Anlage des Schweizer Konzerns Holcim auf Platz zwei der CO₂-Emittenden in Schleswig-Holstein.
Die Emissionen entstehen, wenn Kalkstein bei bis zu 1.450 Grad Celsius zum sogenannten Klinker gebrannt wird. In Lägersdorf soll nun unter anderem eine neue Ofentechnik den CO₂-Ausstoß insgesamt jährlich um 1,2 Millionen Tonnen senken. Das bei dem Prozess weiter entstehende CO₂ soll nahezu vollständig abgeschieden und laut dem Unternehmen in der Lebensmittelindustrie für kohlensäurehaltiges Wasser oder in der Chemieindustrie als Rohstoff verwendet werden.
Derzeit entstehen bei der Zementproduktion in Lägerdorf etwa sechs bis sieben Prozent der CO₂-Emissionen Schleswig-Holsteins. Und dennoch gibt es Kritik an dem Projekt, so vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): So benötigt das Zementwerk laut BUND nach dem Umbau das Dreieinhalbfache an Energie und das Fünfzehnfache an Kühlwasser. Auch der geplante Kreideabbau, mit dem Holcim seine Rohstoffversorgung für die nächsten 100 Jahre sichern wolle, vernichte Wald und Wiesen auf ehemaligen Moorböden. Der BUND forderte daher klimawirksame Ausgleichsmaßnahmen.
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