piwik no script img

Cem-Odos Güler über die CDU und Zahnbehandlungen für GeflüchteteVon Merz und Mundgeruch

Friedrich Merz serviert kalten Kaffee, und der sorgt bekanntlich für übel riechenden Atem. Man muss sich das Groteske an dieser Aussage auf der Zunge zergehen lassen: Der CDU-Chef behauptet, dass Ausländer „deutschen Bürgern“ die Zahnarztstühle wegnähmen. Dieser Satz ist eine absurde Anleihe am stumpfen Rassismus gegen Geflüchtete, wie er im Deutschland der 90er Jahre Praxis war.

Merz’ Aussage von Mittwochabend ist ein fast komischer Höhepunkt in der aktuellen Migrationsdebatte. Weil der Jobmarkt hierzulande so ist, wie er ist, kann „den Deutschen“ derzeit niemand die Arbeit wegnehmen. Folglich müssen sich die Skandale in anderen Räumen entladen: Wohnzimmer, Klassenzimmer, Wartezimmer.

Das Zahnarzt-Beispiel legt offen, wie praxisfern der CDU-Chef argumentiert: Die Union ist bei Migrationsfragen planlos wie noch nie, deshalb muss ihr Vorsitzender seine Argumentationsstützen aus der Luft greifen. Lassen sich mit Plakaten wie „Zahnarztstühle für Deutsche“ in Hessen und Bayern die Ergebnisse der Unionsparteien noch um ein paar Prozentpünktchen steigern? Es wäre doch einen Versuch wert.

Den Angst­ma­che­r*in­nen ist es beim Migrationsthema noch nie um die Stichhaltigkeit der eigenen Argumente gegangen. Es darf also nicht überraschen, dass aus den Reihen der Union am Donnerstag fast niemand wagte, Friedrich Merz für seine hohle Phrase zu kritisieren. Dabei dürfte auch den CDU-Politiker*innen nicht entgangen sein, auf welche krude Weise sich ihr Parteichef wieder einmal öffentlich äußert. Innerhalb der CDU überwiegt wohl derzeit der Gedanke, die Parteispitze auf ihrer Exkursion durch die 90er Jahre nicht zu stören, um sich gegenüber der Altherren-Runde nicht selbst ins Abseits zu befördern. Dieser Opportunismus ist besonders krass, weil ihm gegenüber das Menschenrecht auf gesundheitliche Versorgung steht.

Der kalte Kaffee ist angerichtet, und der CDU-Chef schlürft ihn schon mal vor. Was das für Konsequenzen hat, wurde eingangs erwähnt. Damit wird Friedrich Merz nicht weit kommen.

eu-asylpolitik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen