CDU-Politiker über Eishockey-WM in Belarus: „Ich bin stolz auf die Athleten“
Der CDU-Politiker Eberhard Gienger erklärt, warum er die Absage der Eishockey-WM in Belarus ausnahmsweise für richtig hält.
taz: Herr Gienger, 2019 waren Sie noch in Belarus bei den European Games. Einen Boykott des Sportevents haben Sie damals nicht befürwortet. Jetzt haben Sie die Absage der Eishockey-WM in Minsk durch den Weltverband begrüßt. Was ist anders?
Eberhard Gienger: Als Betroffener des Olympia-Boykotts 1980 bei den Sommerspielen in Moskau bin ich ein entschiedener Gegner von Boykotts. Schon damals hat der Olympiaboykott nichts bewirkt, sondern eher Schaden zugefügt, und zwar nicht nur den Betroffenen. Aktuell begrüße ich die Absage der Eishockey-WM in Minsk aus zweierlei Gründen. Die Menschenaufläufe dort haben aus meiner Sicht schon einen bürgerkriegsähnlichen Charakter. Hinzu kommt ein anderer Punkt: Die Sportler gehen selbst auf die Straße und protestieren. Das ist ein großer Unterschied zu den European Games 2019 und zum Olympiaboykott 1980. Zudem hat das Internationale Olympische Komitee Regierungschef Lukaschenko, der auch oberster Sportfunktionär des Landes ist, für alle IOC-Events ausgeschlossen.
Sie heben die Sportlerproteste hervor. Ist es nicht etwas viel verlangt, dass Sportler:innen erst einmal solch eine Zivilcourage wie in Belarus aufbringen müssen, bevor überhaupt Boykotts erwogen werden sollen?
Aber genau das ist ja geschehen und Grundlage für Überlegungen gewesen, den Druck auf Belarus zu erhöhen. Wenn man immer nur die Menschenrechte und nicht vollstreckte Todesurteile als Maßstab anlegt, wird es schwierig, Sportveranstaltungen mit Teilnahme aus allen Ländern der Welt durchzuführen. Dann dürften auch zum Beispiel in den USA keine internationalen Wettkämpfe mehr stattfinden.
Bräuchte es nicht klare Kriterien, um Boykottbeschlüsse nachvollziehbar zu machen?
Die gibt es doch bereits. Sie sind in der IOC-Charta festgeschrieben. Daran orientieren sich die Sportverbände.
Nach diesen Standards stand ja bis Dienstag der Eishockey-WM in Minsk nichts entgegen. Und die WM 2014 in Belarus wurde nicht problematisiert, obwohl es damals schon um Unterdrückung von Andersdenkenden und Wahlfälschungen ging.
Dafür müssen Sie aber entsprechende Beweise haben. Scheinbar waren die Wahlfälschungen nicht so offensichtlich, sodass es damals nicht so große Proteste gab.
69, Weltmeister am Reck 1974, Olympia-Bronze 1976, seit 2002 im Deutschen Bundestag. Er ist sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Damals haben Sie sich gegen einem WM-Boykott ausgesprochen. Die Politik solle dem Sport nichts vorschreiben.
Die Autonomie des Sports gilt nach wie vor. Deshalb bin ich so stolz auf die Athleten in Belarus, weil sie sich aus dem Sport heraus dagegengestellt haben. Da sehe ich die Autonomie des Sports gewahrt.
Gegen Boykotts von Sportevents in Diktaturen wird argumentiert, solche Ereignisse führten zu Austausch und Öffnung eines Landes. Belarus ist kein gutes Beispiel dafür.
Na ja, offensichtlich haben das die Athleten innerhalb ihres Landes anders gesehen als früher und sind unter anderem deshalb auf die Straße gegangen. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass die Sportler die Verhältnisse in anderen Ländern kennen und mit den ihren vergleichen. Sie haben als Sportler Demonstrationen als ihren Weg gesehen, in Belarus auch Veränderungen herbeizuführen.
Den Austausch hätte es genauso gegeben, wenn die Sportveranstaltungen nicht in Belarus stattgefunden hätten.
Andererseits ist es eine Möglichkeit, dort mit den Leuten zusammenzukommen. Sicherlich hätte man die European Games 2019 anderswo durchführen können. Aber es ist Sache des organisierten Sports, darüber zu befinden.
Hat die Debatte Auswirkungen auf Großereignisse wie die Olympischen Winterspiele in Peking und die Fußball-WM in Katar?
Die Frage ist, ob sich das Spannungsverhältnis zwischen der Internationalität des Sports und der Einhaltung von Menschenrechten langfristig nur über diplomatische Wege lösen lässt.
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