CDU-Parteitag erneut abgesagt: AKK bleibt Chefin
Zumindest vorerst: Die Christdemokraten sagen erneut ihren Parteitag ab – bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden dürften noch Monate vergehen.
„Die Lage ist ernst“, begann Ziemiak. So ernst, dass ein klassischer Präsenzparteitag mit 1.001 Delegierten, aber auch eine hybride Variante, in der die Mitglieder auf verschiedene Orte verteilt würden, derzeit „nicht zulässig“ sei. Die Parteispitze werde nun Mitte Dezember, spätestens aber auf einer Vorstandsklausur am 15. und 16. Januar, darüber entscheiden, wie es weitergeht.
Zuvor hatte der Parteivorstand einen Vorschlag von Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Verschiebung zugestimmt. Während die Bewerber Armin Laschet, der NRW-Ministerpräsident, und der Außenpolitiker Norbert Röttgen die Absage begrüßten, stellte sich der einstige Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der ebenfalls CDU-Chef werden will, deutlich dagegen.
Mehr noch: Er, der vor allem an der Basis viele Fans hat, sieht darin sogar eine Verschwörung gegen sich. „Es gibt Teile des Parteiestablishments, die verhindern wollen, dass ich Parteivorsitzender werde, und damit wird jetzt auch dieser Parteitag verbunden“, sagte er am Morgen in der ARD. Er verlangte als Alternative einen reinen digitalen Parteitag.
Rechtliche Bedenken
Doch so einfach ist das wohl nicht. Ein rein digitaler Parteitag, bei dem auch elektronisch abgestimmt würde, verstieße offenbar gegen das Parteiengesetz. So sehen sie es jedenfalls im Konrad-Adenauer-Haus. Würde man so wählen, wäre das „verfassungsrechtlich problematisch“ und „anfechtbar“, wie ein Parteisprecher auf taz-Nachfrage sagte. Zunächst sei daher eine Grundgesetzänderung nötig. In den Gremiensitzungen soll Innenstaatssekretär Günter Krings derlei rechtliche Bedenken vorgetragen haben.
Bliebe als weitere Option ein Präsenzparteitag zu einem späteren Zeitpunkt, der aber stark vom weiteren Infektionsgeschehen abhängt. Der Mittelweg wäre ein Mix aus digitaler Vorstellungsrunde und analoger Briefwahl. Der Bundestag hatte neulich die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen. Nur: Da der ganze Vorstand neu gewählt werden muss, wäre das ein langatmiger Prozess. Das würde „70 oder mehr Tage“ dauern, sagte Ziemiak. Heißt: Selbst wenn man sich im Dezember darauf einigte, gäbe es – Vorlaufzeit eingerechnet – vor März wohl kaum einen neuen CDU-Chef.
Dennoch begrüßten viele CDU-Politiker angesichts beinahe täglich rasant steigender Infektionszahlen die Absage. So etwa Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans: Die Entscheidung wann und in welcher Form der Parteitag stattfinden wird, könne im Dezember oder Januar mit Blick auf den Verlauf der Pandemie getroffen werden, sagte er.
Ziemiak spricht von „Sehnsucht nach Entscheidung“
Auch CSU-Chef Markus Söder, der als möglicher Kanzlerkandidat der Union gilt, hat die erneute Verschiebung des CDU-Wahlparteitags begrüßt. Eine Präsenzveranstaltung mit etwa 1000 Menschen „wäre kein gutes Signal gewesen“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag in München.
Kritik an Merz' Äußerungen kam von Manfred Pentz, Generalsekretär der hessischen CDU, des immerhin viertgrößten Landesverbandes. Dessen Idee, der Vorstand habe den Parteitag verschoben, um ihn zu verhindern, habe ihn „sehr verwundert, sagte Pentz der taz. „Es geht hier nicht um das was Herr Merz wünscht oder nicht wünscht.“ Es gehe um die Gesundheit der Menschen. Die Verschiebung sei eine Entscheidung für „besonnene Politik“, so Pentz.
So oder so: Kramp-Karrenbauer, die im Februar ihren Rückzug angekündigt hatte, bleibt weiter CDU-Chefin. Der Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur dürften hingegen auch zu Beginn des Bundestagswahljahres 2021 ungeklärt bleiben. Dabei finden bereit im März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zwei wichtige Landtagswahlen statt. „Es gibt eine Sehnsucht nach einer Entscheidung“, räumte Ziemiak selbst ein. Wann sie fallen wird, scheint nach diesem Montag ungewisser denn je.
Mitarbeit: Christoph Schmidt-Lunau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!