CDU-Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz: Zwei Postkarten für Markus Söder
Wenn man der Ansicht ist, dass Deutschland ohne einen Kanzler der Union besser dran ist, war das eine gute Woche.
W as viele nicht wissen: In der Poststelle der bayerischen Staatskanzlei arbeitet ein taz-Maulwurf. Einige taz-Leser haben ein Faible für bedrucktes Papier, und so hat dieser Mann sein Hobby zum Beruf gemacht.
Da das Briefgeheimnis für Postkarten eingeschränkt gilt, zumal, wenn diese Postkarten offen auf dem Schreibtisch des Ministerpräsidenten liegen, können wir enthüllen, welche Post an Dr. Markus Söder verschickt wurde, nachdem er der Weltöffentlichkeit mitgeteilt hatte: „Friedrich Merz macht’s. Ich bin fein damit.“
Die erste Postkarte ziert eine kitschige Ansicht der Elbphilharmonie. Der Absender schreibt: Moin Markus, danke, dass du Friedrich den Vortritt gelassen hast! Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können. Wenn du in meinem nächsten Kabinett Verkehrsminister sein willst, meld’ dich. Aber rasier dir den Bart ab, das trägt in Berlin keiner mehr. Dein Olaf
Wenn man der Ansicht ist, dass Deutschland ohne einen Kanzler der Union besser dran ist, war das eigentlich eine gute Woche. Die Bilanz der Ampel ist durchwachsen, die Kandidatur von Merz könnte ihre Rettung werden. Die Union zieht mit einem Kandidaten ins Rennen, der keine Regierungserfahrung hat, der erst zum Vorsitzenden gewählt wurde, als es keinen anderen mehrheitsfähigen Kandidaten mehr gab.
Merz eignet sich als Feindbild
Ein Mann, der sich nicht im Griff hat und gern sein Publikum belehrt. Merz eignet sich als Feindbild: Der Blackrock-Manager, der im Privatjet nach Sylt reist. Gegen ihn wird es möglich sein, ein Wechselwähler-Milieu zu mobilisieren, das die CDU wegen Merkel wählte und sich für den Schwiegersohntypen Hendrik Wüst hätte erwärmen können.
Sollte der Wahlkampf auf eine Entscheidung zwischen zwei Kandidaten zulaufen und auf die Frage, wem die in der Mehrheit konservativen BürgerInnen vertrauen, hat Scholz gute Chancen. Die letzte Wahl gewann er, weil er den Angela-Merkel-lookalike-Contest gewann. Scholz’ monotone Stimme gab den WählerInnen das Gefühl: Der ist genauso langweilig wie ich, der weiß, wovon er spricht.
Es könnte also alles schön sein, wenn nicht eine zweite Postkarte auf Söders Schreibtisch liegen würde.
Lieber Markus, als Problemlöser fang’ ich konstruktiv an: Ich find’s super, dass du eine Entscheidung getroffen hast und wünsche dir alles Gute. Dass du so gegen Schwarz-Grün bist, egal, eh nur Wahlkampfgetöse. Mein Problem ist: Mit Friedrich Merz als Gegner sieht ja sogar Olaf frisch aus. Wie werde ich dann Kanzler?! Herzlich, Robert
Es gibt zwei Faktoren, die den kommenden Wahlkampf vom vorigen unterscheiden: Der erste ist Robert Habeck. Die Grünen treten mit einem Kandidaten an, dem viele das Kanzleramt zutrauen. Aber sie sind in der Defensive, die Klimakrise ist der Mehrheit egal, sie hat sie verdrängt. Habeck wird Scholz trotzdem Stimmen aus der Mitte streitig machen. Selbst wenn Merz schlecht abschneidet und nur 25 Prozent holt, kann es sein, dass Scholz und Habeck sich gegenseitig runterziehen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Der größte Unterschied aber ist: Diesmal wird es gleich zwei populistische Parteien geben, die als Alternativen auftreten und die etablierten Parteien in die Zange nehmen. Sie werden behaupten, für eine andere Politik zu stehen, für eine Alternative zu Ampel und Union. Vertreten werden sie von zwei Frauen, Sahra Wagenknecht und Alice Weidel. Die eine hat einen iranischen Vater, die andere lebt mit ihrer Partnerin in der Schweiz.
Angeblich ist Identitätspolitik ja over, und natürlich sollte man Parteien daran messen, wofür sie inhaltlich stehen. Aber bei der Bundestagswahl sollen Merz, Habeck, Scholz, drei weiße Männer über 50, den Aufbruch verkörpern, den Deutschland nötig hätte. Na toll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass