CBS-Reporterin unter Druck: An den Online-Pranger gestellt
Nancy Cordes berichtet kritisch über die Trump-Regierung. Das hat ihr einen Platz auf der „Straftäter“-Liste des Weißen Hauses beschert.
Eigentlich fehlt nur noch das „Dead or Alive“. Das Weiße Haus hat auf seiner Website eine Seite eingerichtet, auf der es vermeintliche „Media Offender of the Week“ an den Pranger stellt, die Medien-Straftäter*innen der Woche“. Eine von ihnen: Nancy Cordes, die Chefkorrespondentin von CBS News im Weißen Haus.
Bevor man auf der Seite auf den Namen der Journalistin stößt, muss man aber erst mal an einem Propagandavideo vorbei, das sich über die Demokraten empört, die Militärangehörige dazu aufgerufen hatten, sie müssten sich nicht an illegale Befehle halten. Trump hat diesen Abgeordneten schon mit der Todesstrafe gedroht. Im neuen Zusammenschnitt des Videos präsentiert das Weiße Haus sie jetzt zusätzlich als ominöse Gefahr: Zuerst sind sie in Farbe zu sehen, dann stoppt das Bild, wird schwarz-weiß und bekommt ausgefranste Querstreifen, die man vor allem aus Serien-Trailern kennt, in denen es um Spionage, Betrug und den bösen Griff nach der Macht geht. Eine Sirene ertönt, ein Stempel saust akustisch auf das Bild, danach steht da in Rot „seditious“, also: „aufrührerisch“. Und eine tiefe Männerstimme erklärt: „Der Präsident hat niemals eine illegale Anweisung gegeben. Diese Menschen wissen, was sie tun.“
Das Weiße Haus lügt sich also Putsch-Fantasien zurecht und wie bei jeder guten Verschwörungserzählung müssen danach dann die Medien rein, also besagte „Media Offender of the Week“. Das sind diese Woche: The Boston Globe, CBS News und The Independent, sowie einige ihrer Mitarbeitenden, unter anderem Nancy Cordes. Denn, so steht es in dem Steckbrief, sie hätten über die Vorwürfe der Demokrat*innen berichtet, obwohl sie wüssten, dass Trump niemals illegale Befehle gegeben hätte. Eine spannende Auslegung des Zeitgeschehens und der Pressefreiheit.
Was das Weiße Haus Cordes konkret vorwirft, will oder kann es nicht aufschreiben. Die Vorwürfe sind schwer zu greifen und somit auch schwer von sich zu schleudern. Nur so funktioniert die Masche.
Cordes kennt das Weiße Haus. Im Januar 2021 wurde öffentlich, dass sie dort die neue Chefkorrespondentin von CBS News wird. Nur wenige Tage zuvor, am 6. Januar, berichtete sie auf dem Capitol Hill: Rechtsextreme hatten das Kapitol gestürmt in der Hoffnung, Trump mit Gewalt zum Präsidenten machen zu können, weil er demokratisch unterlegen war. Die Beiträge von Cordes sind mehrfach mit Journalismuspreisen ausgezeichnet worden, ihre Arbeit zur Schwächung des Rechts auf Abtreibung sogar mit einem Emmy.
„Bist du dumm?“
Wegen ihrer Klasse sieht sie sich dem Hass Trumps ausgesetzt, nicht erst seit dem unsäglichen Medienpranger des Weißen Hauses. Cordes hat auf ihrem Instagram-Profil ein Video angepinnt. Es ist von einer Pressekonferenz am 27. November, kurz nach einem Schusswaffenangriff auf zwei Nationalgardisten, mutmaßlich verübt von einem afghanischen Geflüchteten.
Trump macht dafür die Biden-Regierung verantwortlich, wirft ihnen vor, sie hätten die Afghan*innen, die vor dem Tod fliehen mussten, ohne Überprüfung ins Land gelassen. Cordes merkt an, dass Ermittler*innen sagen, es hätte sehr wohl Überprüfungen gegeben. „Warum beschuldigen sie also die Biden-Regierung?“ Trump unterbricht sie: „Bist du dumm?“
Das ist der Umgang des Präsidenten mit einer der wichtigsten Berichterstatterinnen von einem der wichtigsten Nachrichtenmedien der USA.
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