Burka-Äußerung von Boris Johnson: Brexit, Burkas und der Boris
Eine Äußerung von Boris Johnson über Burkaträgerinnen führt zu empörten Gegenreflexen. Dabei schrieb er ein Loblied über den Liberalismus.

Sie demonstrieren Boris Johnsons Aussage zum Burkaverbot Foto: dpa
Das Sommerloch heißt in Großbritannien „Silly Season“, und dieses Jahr ist es besonders dumm. Wenn die Zeitungen nicht voller erfundener Gruselgeschichten über die Folgen des Brexit sind, wird auf Boris Johnson geschossen, Hassobjekt der EU-Anhänger. Das konservative Aushängeschild der Brexit-Kampagne 2016, danach bis vor Kurzem Außenminister, ist mit Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, die bis zum Fraktionsausschluss führen könnten.
Grund: Seine Kolumne im Daily Telegraph, die seit seinem Rücktritt wieder jeden Montag erscheint. Vor einer Woche stand da über Burka-Trägerinnen, es sei „total albern, dass Leute freiwillig wie Briefkästen herumlaufen“.
Der empörte Gegenreflex ließ nicht auf sich warten: Johnson sei ein Islamhasser, hieß es; Premierminister Theresa May ließ sich aus dem Urlaub zur unklugen, weil nicht durchsetzbaren Forderung nach einer Entschuldigung hinreißen, und alle möglichen Leute schimpften, da habe der britische Möchtegern-Trump mal wieder seine wahre hässliche Seite gezeigt.
Und die wirklichen Möchtegern-Trumps waren begeistert: Steve Bannon ließ wissen, Johnson wäre ein großartiger Premierminister, und aus einigen englischen Orten wurden Belästigungen verschleierter Frauen gemeldet, mit dem Lieblingssport, Briefe in die Augenschlitze zu schieben.
Den meisten Kritikern dürfte entgangen sein, dass Boris Johnsons Kolumne eigentlich ein Plädoyer gegen ein Burka-Verbot war, wie es gerade Dänemark verfügt hatte. Johnson schrieb ein Loblied auf Kopenhagen als Inbegriff der Toleranz und des Liberalismus, ein Paradies der Nacktschwimmer und der höflichen Radfahrer, ganz anders als England, zu dem es überhaupt nicht passe, Kleidungsstücke zu verbieten, so doof er sie persönlich auch finde.
Weniger Nationalismus
Aber das ging eben unter, so wie schon bei der Brexit-Kampagne unterging, dass es Johnson um weniger Nationalismus ging und nicht um mehr. Seine Kritiker hoffen jetzt, dass er so gemaßregelt wird, dass er nicht mehr zur Verfügung steht, sollte Theresa May gekippt werden. Denn derzeit steht Johnson ganz oben auf der Liste potenzieller Nachfolger.
Der kleine Pro-EU-Flügel der Konservativen möchte gern May und damit den Brexit loswerden, ohne Johnson und damit den harten Brexit zu bekommen. Zu seinen Wortführern gehört Ex-Finanzminister Kenneth Clarke. Der beschrieb einmal die Burka als „eine Art Sack“.
Burkaverbote in der EU gibt es in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Lettland, den Niederlanden und Österreich. Nicht in Großbritannien.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Mein Gott - oder Allah - oder wer weiß ich: Wenn einer ne Burka braucht, dann diese Trump-Kopie mit demselben schlechten Haarschnitt wie sein Meister......
mlevi
Also ich kann weder der Person von Boris Johnson, noch seiner Politik irgendetwas abgewinnen, aber der der Vergleich mit einem Briefkasten in einfach witzig und albern, darf man es auch als Politiker finden, wenn Menschen so rumlaufen. Wenn er sich dann auch noch gegen ein Burkaverbot ausgesprochen hat. Was soll dann die Aufregung?