Burggraben um das Parlament: Der Reichstag, ganz feudal
Es wird darüber nachgedacht, um dem Reichstag in Berlin einen Graben zu buddeln – aus Sicherheitsgründen. Symbolpolitisch ist da noch Luft nach oben.
E s gibt ein neues Sicherheitskonzept für den Reichstag. Darin enthalten ist, wie man in der Berliner Zeitung vom Donnerstag nachlesen kann, nicht nur ein neues Besucherzentrum – sondern auch ein 2,5 Meter tiefer und 10 Meter breiter Graben.
Ein Graben? Klar. Die ehemaligen Volksparteien verlieren an Rückhalt und die Demokratieverdrossenheit nimmt zu. Da ist es nur konsequent, wenn das Parlament auch physisch eine Grenze zu seinen Wählern zieht. Und was wäre da besser als etwas, das schon im Mittelalter effektiv Feudalherren von Bauern zu trennen vermochte.
Natürlich geht es um etwas anderes: Der Graben ist eine Reaktion auf die Terroranschläge der letzten Jahre – und selbstverständlich muss nach Ereignissen wie am Breitscheidplatz über die Sicherheit an politisch Bedeutsamen Orten nachgedacht werden, an denen obendrein großer Publikumsverkehr herrscht. Dass man sich jetzt aber auf mittelalterliche Wehranlagen rückbesinnt, trägt allerhöchstens dazu bei, Abgrenzung zu signalisieren und Angst zu schüren.
Laut Konzept sollen Besucher außerdem in Zukunft durch einen Tunnel vom geplanten Besucherzentrum zum Westportal des Reichstags gelangen. Wo also 1995 eine lichtdurchlässige Kuppel als Zeichen der Offenheit auf den Bau gesetzt wurde, soll künftig ein dunkler Tunnel in das Prunkstück der deutschen Demokratie geleiten. Symbolpolitisch ist da Luft nach oben. Oder eben nach unten, wenn man neben Burggraben und Katakomben noch über Fallgatter und Zugbrücke nachdenken möchte.
Immerhin verschwinden dann die Stahlcontainer
Bislang stehen die Pläne unter Vorbehalt. Geprüft werde erst, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, „ob solche Sicherheitsmaßnahmen auch aus städtebaulicher Sicht ins Bild passen“. Aber vielleicht bringt der Graben ja gerade einen gestalterischen Mehrwert für den Platz der Republik. Um das Bild perfekt zu machen, könnte problemlos Wasser von der Spree in den Graben umgeleitet werden. Piranhas oder Haie in dem neu entstandenen Gewässer schrecken Terroristen wie Besucher sicher zusätzlich ab.
Fertig werden soll das Projekt bereits Mitte 2023. Immerhin verschwinden dann die uneinladenden Stahlcontainer, die momentan für die Sicherheitskontrollen herhalten müssen. Schlussendlich muss man der Idee auch zugutehalten, dass beim Ausheben eines Grabens – obwohl es sehr kurzfristig kalkuliert scheint – zumindest keine Brandschutzanlage die pünktliche Inbetriebnahme verhindern kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Pressefreiheit unter Netanjahu
Israels Regierung boykottiert Zeitung „Haaretz“