piwik no script img

Bundesweiter Warntag 2022Eine halbe Warnung

Der bundesweite Warntag am Donnerstag kann lediglich als Teilerfolg gesehen werden. Es mangelte vor allem an Entwarnungen.

Sirenen über dem Brandenburgischen Petersdorf Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Um 10.59 Uhr schrillte das Handy. Ein unangenehmer Ton, begleitet von der Nachricht: „Probewarnung. Bundesweiter Warntag 2022.“ Und weiter: „Es besteht keine Gefahr.“ Erst wenn die Nut­ze­r:in auf „Ok“ drückte, verstummte der Alarm. Mit der Warnung in deutscher und englischer Sprache wollte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) testen, wie die Menschen in Deutschland im Notfall benachrichtigt werden können. Cell Broadcast wird die Technologie genannt, die erstmals in Deutschland genutzt wurde. Dabei wird eine Warnung auf das Handy gespielt, wenn das BBK diese entsprechend auslöst.

50 Prozent der Menschen in Deutschland sollten so erreicht werden. Vorausgesetzt, die Geräte haben ein entsprechendes Update, um die Meldung empfangen zu können, befinden sich nicht im Flugmodus oder im Funkloch. Wie viele Menschen Cell Broadcast beim bundesweiten Warntag erreicht hat, wird schwer zu ermitteln sein. Es wurde dazu aufgerufen, zurückzumelden, ob die Nachricht ankam oder nicht. Erst zu Beginn des kommenden Jahres soll es eine Auswertung aller Aktionen geben.

Was aber bereits am Warntag selbst klar wurde: Die Hinweise auf Updates oder Voraussetzungen für das Mobiltelefon kamen nicht flächendeckend an. Ebenso die durchaus wichtige Information, wie der Alarm wieder abgestellt werden konnte. Bei manchen schrillte es also durchaus länger als für die Übung gedacht. Trotz Ankündigungen in den Medien und via Social Media ist wohl auch der Testlauf an sich nicht wirklich durchgedrungen. Eigentlich wollten die Behörden ja vermeiden, dass Menschen verschreckt reagieren auf den Testlauf. Und auch bei der Entwarnung haperte es. Denn auf jede Warnung muss irgendwann eine Entwarnung folgen, werden die Behörden nicht müde zu erwähnen. Auf vielen Geräten aber blieb es bei der Warnmeldung.

Auch die App Nina hat gewarnt

Künftig soll Cell Broadcast Teil eines sogenannten „Warnmixes“ werden. Zusammen mit Meldungen im Radio und im Fernsehen, mit Anzeigen auf Bahnhöfen oder an öffentlichen Infotafeln. Der Deutschlandfunk vermeldete die Übung pünktlich in seinen Nachrichten und veröffentlichte auf der Webseite auch die Entwarnung. Auch die Nachrichtenagentur AFP verkündete via Eilmeldung die Übung. Über die Warn-App Nina wurde ebenfalls die Testmeldung verbreitet und gegen 11.45 Uhr wieder entwarnt.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, Sabotagefällen bei der Bahn oder der Flutkata­strophe im Ahrtal 2021 ist der Bevölkerungsschutz wieder Thema. Und auch der Warntag 2020 hat bei den Behörden für Nervosität gesorgt – und in der Bevölkerung für Häme. Damals gab es etliche technische Fehler, das System, das die Warnung weiterleiten sollte, war überlastet und funktionierte dann nicht wie gewünscht. In diesem Jahr kann wenigstens ein Teilerfolg gemeldet werden.

Mancherorts blieb’s stumm

Ein problematischer Aspekt ist jedoch die fehlende Barrierefreiheit. Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland hält etwa die Warn-Apps für blinde und sehbehinderte Menschen für gut zugänglich, jedoch nicht für gehörlose Menschen. Cell Broadcast hält er generell für einen Schritt in die richtige Richtung, da nicht nur via Schrift, sondern auch per Vibration oder Lichtblitz gewarnt werden kann.

Neben digitalen Warnmitteln setzt das BBK auf analoge Technik. Rund 35.000 Sirenen gibt es bundesweit. Leider funktionieren nicht alle oder sind an zentrale Systeme angeschlossen. Alle Bundesländer machten mit und testeten ihre Warninstrumente an diesem Donnerstag. Ob allerdings in den Kommunen die Sirenen ausgelöst wurden, war freiwillig – oder schlicht nicht möglich. Und so kam es auch, dass so manche Kommune auf die Übung verzichtete. Der Tenor: Im Ernstfall sind wir schneller, wenn wir von Haus zu Haus gehen.

Zwar hat der Bund mehr als 80 Millionen Euro beigesteuert, damit Sirenen bundesweit aufgerüstet werden. Den Rest sollen die Länder beisteuern – und deren Zahlungswilligkeit ist derzeit eher begrenzt nach Coronapandemie, Inflation und Energiekrise.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Botschaft angekommen!



    Meine bisherigen Nachrichten zur Testlauf sind positiv, d.h. in den Medien und auch im privaten Umfeld.



    Dass ein Fazit erst im neuen Jahr gezogen wird, ist seriös.



    Nach der peinlichen Aktion unter Horst Seehofer ist bereits sichtbar, dass sich im Innenministerium was getan hat. Die Neubesetzung im beigeordneten BBK sowie die Umstrukturierung trägt Früchte.



    Nach den eher verschlafen wirkenden technischen Neuerungen ( z.B. e. Rezept) wurde das cell broadcast



    recht schnell umgesetzt.



    Dass frau sich nicht nur darauf, sondern auch auf klassische Sirenen und Meldungen im Radio stützt, ist weitsichtig.



    An der Ahr hat es lange gedauert, bis die Mobilfunkmasten wieder aktiv waren .

  • Hier findet sich die Umfrage zur Rückmeldung www.warntag-umfrage.de/ Es wär vielleicht nicht verkehrt, das in den Artikel aufzunehmen, denn ohne Rückmeldung und Auswertung ist die ganze Aktion doch ziemlich sinnlos. (Mein Handy hat die Nachricht zwar bekommen, aber ich hatte es nicht am Körper und stumm geschaltet und nichts mitgekriegt. Tja.)

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Also irgendwann ist mit Meckern auch Mal gut. :-) Sirenen können null Informationen geben was konkret das Problem ist. Cell Broadcast ist in vielen Ländern erfolgreich im Einsatz. Es hat jetzt auch hier halbwegs gut funktioniert. Das ist eindeutig eine gute Lösung und der Test führt dazu daß die Probleme behoben werden. Alles gut, oder?

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Bin hörbehindert. Habe weder die Sirene gehört noch eine Warnung aufs Handy bekommen.



    Natürliche Auslese?

  • „ Es wurde dazu aufgerufen zurückzumelden, ob die Nachricht ankam oder nicht.“

    Echt? Wo und wie? Hatte auch eine CB-Meldung aber ich hätte jetzt null Ahnung wem ich das wie sagen soll.

  • Ca. 50 % Quote kann ich bestätigen, bei 9 Menschen hat es bei 5 Menschen funktioniert. Aber eben bei 4 nicht. Da gab es nicht mal eine SMS. Einfach gar nichts, als ob nichts sein würde.



    Das finde ich für Warnungen, bei denen es um Leib und Leben sowie möglicherweise um Minuten geht, miserabel. Hier sind m.E. mind. 99 % notwendig. Für mich ist das ein Armutszeugnis. Wer 50 % feiert ist da.IMHO nicht ganz bei Kasse.