Bundeswehrskandal in Zweibrücken: „Nein heißt Ja, und Ja heißt anal“
Frauenhass, Rechtsextremismus und einiges mehr: Gegen 55 Soldaten des Fallschirmjägerregiments 26 wird ermittelt. 3 wurden inzwischen entlassen.
Nazitümelei, Antisemitismus, Gewaltrituale, Drogenmissbrauch und sexuelle Übergriffe – die Liste der Vorwürfe gegen das Fallschirmjägerregiment 26 im rheinland-pfälzischen Zweibrücken ist lang. Gegen insgesamt 55 Soldaten wird ermittelt. „Bei 19 Beschuldigten wurde die Entlassung eingeleitet. In 3 Fällen ist diese bereits erfolgt“, teilte eine Sprecherin des Heeres der taz mit.
Bislang seien 16 Fälle an die Staatsanwaltschaft abgegeben und in ebenfalls 16 Fällen Disziplinarmaßnahmen ausgesprochen worden. In 20 Fällen habe die Wehrdisziplinaranwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen. „Die Ermittlungen dauern jedoch weiter an“, so die Sprecherin. „Gewalt, Sexismus und Extremismus haben in unserer Bundeswehr keinen Platz“, betonte sie.
Auslöser der Ermittlungen waren mehrere Eingaben von Soldatinnen des Fallschirmjägerregiments 26, die sich im Juni 2025 beim Amt des Wehrbeauftragten des Bundestages gemeldet hatten. Daraufhin seien umfangreiche Untersuchungen und Ermittlungen durch das Kommando Heer und die nachgeordnete Division Schnelle Kräfte eingeleitet worden.
Laut der Heeressprecherin sei es durch die Ermittlungen und Vernehmungen „zu weiteren Meldungen aus der Truppe“ gekommen. Es gehe dabei um „Vorfälle im Zusammenhang mit sexualisiertem Fehlverhalten, extremistischen Verhaltensweisen und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz“.
Sexistische Sprüche gehören zum Alltag
Insgesamt werden derzeit mehr als 200 straf- und disziplinarrechtliche Vorwürfe untersucht. „Als wir dahintergekommen sind, was in Zweibrücken vorgeht, waren wir schier sprachlos“, sagte der Kommandeur des Feldheeres Harald Gante der FAZ. „Über die Ereignisse, aber auch über die Art und Weise, wie man damit umgegangen ist.“ Die Untersuchungsakten zählen inzwischen schon mehr als 6.000 Blatt.
Die FAZ, die Teile davon einsehen konnte, berichtet von „Judensau“-Beschimpfungen, Hitlergrüßen und einer angeblichen Nazi-Party. Von einer „rechtsextremen, offen antisemitischen Clique“ und einer „Frauenhasserkompanie“ ist die Rede. Neben den bei der Bundeswehr nicht unüblichen Saufgelagen bis zum Erbrechen sei auch der Missbrauch von Kokain „gut dokumentiert“.
Die wenigen Frauen in der Truppe – ihr Anteil im Regiment liegt bei etwa 5 Prozent – hätten Exhibitionismus ihrer „Kameraden“ erlebt und sich Vergewaltigungsfantasien anhören müssen. „Wenn eine sich nicht anbaggern ließ, so wird es berichtet, wurde sie möglichst weggemobbt“, so die FAZ.
Sexistische Sprüche von Vorgesetzten hätten zum Alltag gehört. Gereicht hätten sie „von sexueller Belästigung bis zu Eselsbrücken, um sich Parolen aus dem Nato-Alphabet wie ‚Alpha-Foxtrott‘ oder ‚Victor-Hotel‘ zu merken, die dann laut Ermittlungsakten als ‚Arschfick‘ und ‚Vergewaltigung von hinten‘ übersetzt wurden“.
Bei einer „Wochenendbelehrung“, bei der Soldat:innen darauf hingewiesen werden sollen, wie sie sich außerhalb der Kaserne richtig verhalten, habe ein stellvertretender Zugführer erklärt: „Es wird nur gefickt, was gefickt werden will. Und denken Sie daran: Nein heißt Ja, und Ja heißt anal.“
Verurteilungen wegen Vergewaltigung
Es ist nicht das erste Mal, dass das Regiment für negative Schlagzeilen sorgt. So wurden im April 2023 zwei zu diesem Zeitpunkt bereits ehemalige Fallschirmjäger vom Landgericht Zweibrücken zu Haftstrafen von viereinhalb beziehungsweise zweieinhalb Jahren verurteilt. Auf dem Rückweg von einer Kneipentour hatten sie 2018 eine damals 18-jährige Zeitsoldatin vergewaltigt – einer der beiden sogar zum zweiten Mal. Im November 2025 sendete das ZDF eine Reportage über die betroffene Frau, die immer noch unter den Folgen leidet.
Das Fallschirmjägerregiment 26 wurde im Jahr 2015 aufgestellt und umfasst rund 1.800 Soldat:innen. Es gilt als eine Eliteeinheit der Bundeswehr. 7 seiner 11 Kompanien sind in der Niederauerbach-Kaserne in Zweibrücken und 4 im saarländischen Merzig stationiert. Der Truppenteil gehört zur Luftlandebrigade 1 in Saarlouis und wurde seit 2022 von Oberst Oliver Henkel geführt, der im Zuge der Ermittlungen Anfang Oktober von Oberstleutnant Martin Holle abgelöst wurde.
Zuletzt sorgten zwei Fallschirmjäger des Regiments für öffentliches Aufsehen, als sie schwerbewaffnet mit einem Sturm-, einem Maschinengewehr und einer geladenen Pistole in Weihnachtsmannverkleidung über den Weihnachtsmarkt in Zweibrücken marschierten. Kommandeur Holle entschuldigte sich anschließend für den martialischen Auftritt „persönlich und von Herzen“.
Als Reaktion auf die diversen Vorfälle in der Niederauerbach-Kaserne hat die Bundeswehr nun einen „Aktionsplan Luftlandetruppe“ erarbeitet. Laut der Sprecherin des Heeres werde dieser Maßnahmenkatalog „zurzeit finalisiert und dann in Kraft gesetzt“. Zu den Zielen gehörten „das Verstärken der Bemühungen in den Bereichen der Erziehung, Wertevermittlung und der Persönlichkeitsbildung“. Auch solle „die Führbarkeit der Luftlandeeinheiten verbessert werden“.
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