Bundeswehr und Nationenwertung: Sport, Soldaten, aber warum?
Die Sportförderung in Deutschland steht in der Kritik. Aber ihre anhaltende Militarisierung findet nur wenig Beachtung.
![Bundeswehrkapelle im Stadion von Düsseldorf Bundeswehrkapelle im Stadion von Düsseldorf](https://taz.de/picture/7187107/14/imago1034748384h-1.jpeg)
D as erregt viele Menschen. Deutschland liegt auf Platz zehn der olympischen Medaillenwertung. Ein Befund, der für manche so schlimm ist wie null Punkte beim Eurovision Song Contest (ESC).
Deswegen fordert aber niemand die Ausweitung musikpädagogischer Angebote. Wäre jedoch die Popmusikförderung in diesem Land ähnlich strukturiert wie das Sportsystem, dann hätten wir eine Ahnung, warum die Auftritte nicht so funzen, wie es das politische Personal gern einfordert: Mehr als ein Drittel des deutschen Teams in Paris waren Sportsoldaten und -soldatinnen der Bundeswehr, weitere sind bei der Polizei, dem Zoll oder der Bundespolizei.
Was wäre wohl die kulturpolitische Krisendiagnose zum ESC-Durchfall, wenn alle drei Jahre das Stabsmusikkorps der Bundeswehr zum Schlager-Grandprix führe? Wäre sich da alle einig, dass die dortige Ufftata-Musik mehr Geld bekommen muss? Vermutlich nicht.
Ich höre schon, dass hier musikalische Äpfel mit sportlichen Birnen verglichen werden … weil, ja, … äh, Kultur- und Sportförderung in Deutschland zunächst mal Ländersache ist, mit musischen Gymnasien und Sportschulen? Oder weil … hm, es ja bei Olympia um Spitzenleistungen geht, während in der Musik, ja gut, irgendwie auch Spitzenleistungen erwartet wird? Oder weil, … grrr, Leistungssport im Kindesalter beginnt, während musikalische Bestleistung jahrelanges Üben und Sammeln von Erfahrungen benötigt?
Sport, Musik, Kultur, Gesellschaft
Vielleicht ist der Vergleich doch nicht ganz so blöd, wie so manche Sportnerds vermuten. Beim ESC hat sich mittlerweile gezeigt, dass Expertengremien, die sich selbst das Wissen attestieren, wohin der internationale Musikgeschmack geht, stets scheitern. Wichtiger ist, dass Musik als Ausdruck einer (btw: möglichst modernen, demokratischen, attraktiven) Gesellschaft verstanden und präsentiert wird.
Wo sollte da noch ein Unterschied zum Sport liegen? Es geht doch immer darum, dass alle Menschen, die dies wollen, leichten und geförderten Zugang zu Sport und zu Kultur bekommen. Es geht um eine demokratische Teilhabe im besten Sinne. Und die kann nicht mit dem pädagogischen Arsenal, das man gemeinhin dem deutschen Militär zutraut, erbracht werden.
Mehr Geld für bessere Trainer und Trainerinnen ist immer eine richtige Forderung, doch zu guter Sportförderung gehört ja zuvörderst ein attraktives gesellschaftliches Umfeld. Alle müssen angesprochen werden, müssen sich angesprochen fühlen.
Die Förderung olympischer Sportarten hierzulande besteht aber darin, dass sich Sportlerinnen und Sportler mit so unangenehmen Begriffen wie „Herr oder Frau Stabsunteroffizier“ ansprechen lassen müssen. Schön ist das nicht.
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