Bundeswehr im Maghreb: Ein Militäreinsatz mit Tücken
Gegen die Ausbreitung des IS in Libyen zeichnet sich ein internationaler Militäreinsatz ab. Deutschland könnte in Tunesien indirekt beteiligt sein.
Die in Syrien und dem Irak aktive Anti-IS-Allianz mehrerer Staaten hatte vor drei Wochen auf einer Strategiekonferenz in Rom beschlossen, mit einem eventuellen Militäreinsatz auf die Einladung einer neuen libyschen Einheitsregierung zu warten. Doch der Widerstand im international anerkannten libyschen Parlament in Tobruk gegen das Kabinett von Premier Fayez Serraj verhinderte bisher die notwendige Zustimmung der Abgeordneten. Das Kabinett war unter Vermittlung des UN-Sondergesandten für Libyen, Martin Kobler, gebildet worden.
US-Außenminister John Kerry warnte, man werde nicht tatenlos zusehen, wie der IS, der bereits die libysche Mittelmeerküste auf einer Länge von 180 Kilometer kontrolliert, auch noch Zugriff auf die libyschen Ölquellen bekommt.
Nach dem Vorrücken einzelner IS-Trupps gegen Pipelines und Öltanks im sogenannten Ölhalbmond südlich des ostlibyschen Küstenortes Aschadabija und in Südlibyen haben nun scheinbar die Militärs das Sagen. Ein US-Luftangriff auf ein Ausbildungslager des „Islamischen Staats“ in Sabratha nahe der Grenze zu Tunesien im Westen des Landes mit 60 Toten war der Anfang. Zu drei ähnlichen Einsätzen in den vergangenen Monaten bekannte sich niemand.
Fast täglich gelangten neben Schmugglern auch Kämpfer des IS nach Sabratha, wo Dschihadisten aus der ganzen Region trainierten. Sie wurden schließlich von lokalen Milizen in die Flucht geschlagen. Aus Rache für die Bombardierung hatten die Dschihadisten das Zentrum Sabrathas kurzzeitig besetzt und 14 Polizisten enthauptet.
Unklare Angaben über Spezialeinheiten
Britische und französische Spezialeinheiten sind nach Angaben libyscher Armeeoffiziere gegenüber der taz bereits im Land. Es ist wohl kein Zufall, dass die libysche Armee in wenigen Tagen die Extremisten des sogenannten Shura-Rates aus weiten Teilen der Küstenstadt Bengasi im Osten des Landes vertreiben konnte. Der Kommandeur der Saiqa-Sondereinheit in Bengasi bestritt später seine Kommentare gegenüber einem Journalisten der Nachrichtenagentur reuters, wonach ausländische Militärberater auf dem Flughafen Benina der Stadt stationiert seien.
Seit vergangener Woche heben US-Drohnen von Sizilien aus in Richtung Libyen ab; ein französischer Flugzeugträger ist auf dem Weg ins Mittelmeer. Deutsche und britische Soldaten sollen dagegen ganz offiziell tunesische Sicherheitskräfte in Techniken der Grenzsicherung und später auch libysche Einheiten trainieren.
Über den Besuch einer Delegation des Verteidigungsministeriums aus Berlin in der vergangenen Woche in Tunis wurde Stillschweigen bewahrt. Klar ist, dass neben 20 Briten ähnlich wie in Mali nur Ausbilder zum Einsatz kommen, um den mit deutscher Technik aufgerüsteten Grenzwall zwischen Tunesien und Libyen zu sichern. In Tunesien gilt seit dem Anschlag auf die Präsidialgarde Ende November 2015 der Ausnahmezustand, doch immer wieder entdecken Polizisten Waffenverstecke.
Tunesier in Reihen der Milizen in Libyen
Rund 3.000 Tunesier kämpfen in den Reihen extremistischer Milizen in Libyen. Aus Furcht vor Anschlägen auf westliche Botschaften lehnt die Regierung in Tobruk eine Intervention ab.
Dabei spielt vermutlich auch die Korruption eine Rolle. „Immer wieder nehmen wir tunesische Soldaten fest, die sich nach Sabratha absetzen wollen oder gegen Geld die Islamisten durch lassen“, sagt ein Kommandeur der libyschen Grenzpolizei. „Informanten in der Armee könnten auch den Deutschen gefährlich werden.“
Noch immer ist es völlig unklar, aus welchen bewaffneten libyschen Einheiten sich die zukünftige Armee des Landes zusammensetzten soll. Zurzeit planen die Vereinten Nationen, die libysche Hauptstadt mithilfe von Milizen zu sichern, die bis zu 5.000 italienische, als Trainer auftretende Soldaten schützen sollen. Doch die in Tripolis herrschenden, Al-Qaida nahestehenden Islamisten hatten just das IS-Trainingscamp in Sabratha lange Zeit unterstützt und deren Kämpfer via Tripolis und der Türkei an bewaffnete Gruppen in Syrien vermittelt.
Erst seit Erstarken des IS in Libyen geben sich Afghanistanveteranen und Milizenchefs wie Abdulrauf Kara und Abdulhakim Belhadj in Tripolis als IS-Gegner und Partner des Westens aus – wohl auch, um nicht selbst zum Ziel der US-Luftwaffe zu werden.
Der Bürgermeister von Sabratha, der noch vor zwei Wochen bestritt, dass es überhaupt IS-Kämpfer in seiner Stadt gebe, kündigte inzwischen eine vollständige Vertreibung der „Tunesier vom IS“ an, gemeinsam mit ehemals verfeindeten Milizen aus den Nachbarorten Zintan und Zuwara.
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