Bundesverfassungsgericht zu Haftbedingungen: Mindestens drei Quadratmeter
Karlsruhe hat Mindeststandards für Haftbedingungen in anderen EU-Staaten definiert. Werden sie nicht erfüllt, dürfen Häftlinge nicht ausgeliefert werden.
![Wachturm mit Wachmann und Stacheldrahtzaun am Gefängnis Jilava in der Nähe von Bukarest Wachturm mit Wachmann und Stacheldrahtzaun am Gefängnis Jilava in der Nähe von Bukarest](https://taz.de/picture/4595044/14/karlsruhe-bundesverfassungsgericht-haeftlinge-menschenwuerde-1.jpeg)
Im ersten Fall war ein Rumäne in seiner Heimat wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Nachdem er in Berlin festgenommen wurde, billigte das dortige Kammergericht (KG) die Auslieferung nach Rumänien.
Im zweiten Fall ging es um einen Iraker, dem die rumänische Staatsanwaltschaft vorwarf, er habe illegal Ausländer ins Land geschleust. Hier billigte das Oberlandesgericht (OLG) Celle die Auslieferung.
Die betroffenen Männer wollten die Überstellung nach Rumänien verhindern, weil die Haftbedingungen dort gegen die Menschenwürde verstießen. Tatsächlich war Rumänien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg deshalb bereits mehrfach verurteilt worden. Wenn die Auslieferung hieran gescheitert wäre, hätten die Männer freigelassen werden müssen, da sie in Deutschland ja keine Straftaten begangen haben.
Wird die Menschenwürde gewahrt?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte nun Vorgaben auf, was deutschen Gerichte in solchen Fällen zu prüfen haben. So gelte zwischen EU-Staaten grundsätzlich das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, insbesondere bei der Auslieferung auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls. Dennoch müssten die Gerichte prüfen, ob in den Gefängnissen des Ziellandes die Menschenwürde gewahrt ist.
Erforderlich sei in Gemeinschaftszellen zum Beispiel ein Mindestmaß „persönlichen Raums“ von drei Quadratmetern. Außerdem komme es auf Belüftung, Heizung und Hygiene des Haftraums an.
Zunächst müssten deutsche Gerichte klären, so die Karlsruher Vorgabe, ob es in den Haftanstalten des Ziellandes „systemische Defizite“ gibt. Hinweise könnten zum Beispiel EGMR-Urteile geben. Wenn dies der Fall ist, müsse in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob dem Betroffenen im konkreten Fall eine „echte Gefahr“ unmenschlicher Behandlung droht. Dies müsse nicht der mutmaßliche Straftäter beweisen, so das BVerfG, vielmehr hätten deutsche Gerichte eine „Aufklärungspflicht“. Sie dürften dabei aber grundsätzlich auf Zusagen des Ziellandes vertrauen.
Diese Zweistufenprüfung übernahm das BVerfG aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Da Europäische Haftbefehle EU-rechtlich definiert sind, prüfte des BVerfG den Fall auch nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes, sondern an der EU-Grundrechtecharta. Karlsruhe stellte fest, dass der Schutz hier identisch ist.
In einem wichtigen Punkt ging das BVerfG nun aber über den EuGH hinaus. Der EuGH verlangte 2018, dass Gerichte den Zustand der Zielland-Haftbedingungen nur in denjenigen Anstalten prüfen, in denen der Betroffene nach der Auslieferung eindeutig inhaftiert werden soll. Dagegen verlangt das BVerfG auch eine Prüfung all der Haftanstalten, in die eine spätere Verlegung „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten ist.
In den beiden Ausgangsfällen hob das BVerfG die Auslieferungsentscheidungen auf, weil die Gerichte nicht gründlich genug geprüft hatten. Das KG Berlin und das OLG Celle müssen nun neu prüfen und neu entscheiden. Die beiden Männer sitzen seit rund drei Jahren in deutscher Auslieferungshaft.
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